Künstlerin über Gewalt gegen Frauen: „Schicksale sind divers“
Aktivist:innen protestieren am Donnerstag gegen eine Ausstellung, die Frauen als Objekte darstellt. Die Künstlerin Julia Schramm erklärt die Kritik.
taz: Frau Schramm, nahe dem Brandenburger Tor ist am Donnerstag eine eintägige Installation des Künstlers Dennis Meseg zu sehen, die Gewalt gegen Frauen thematisiert. Sie und andere Feminist:innen protestieren dagegen. Warum?
Julia Schramm: Die Ausstellung heißt „Broken“, „zerbrochen“. Das ist problematisch. Viele wollen nicht darauf reduziert werden, dass ihnen Gewalt widerfahren ist. Deshalb haben wir für unseren Gegenprotest, den Hashtag #stillnotbroken gewählt.
Welche Kritik gibt es noch?
Die Außenwirkung der Figuren finde ich ganz wichtig. Der Künstler hat Schaufensterpuppen in Klebeband eingewickelt, „raped“ draufgeschrieben und andere extreme Aussagen. Es gibt Betroffene, die uns sagten, dass sie getriggert werden.
Die Künstlerin ist 1985 in Diepholz geboren und studierte in Weißensee. 2017 war sie Goldrausch-Stipendiatin.
In einem Statement schreiben Sie auch, dass die Frauen zu einseitig dargestellt werden.
Er hat ein problematisches Frauenbild. Meseg schreibt von Müttern, Schwestern und von archetypischen Frauentypen. Das sind sehr schnulzige Worte. Dazu kommt die Opferzuschreibung. Meseg sagt, er spricht alle an. Einzelschicksale sind divers. Alle Puppen von ihm sind weiß und Schaufensterpuppen haben ja unrealistische Körperteile. Aber die Kritik, die diversere Gruppen, People of Color und trans Personen üben, spricht er ab.
Sie schreiben in Ihrem Statement, dass Sie die Fokussierung auf die vermeintlichen Opfer stört, weil sie triggern kann. Würde eine Fokussierung auf die Täter nicht auch triggern?
Die Balance zu finden, ist nicht einfach. Uns erreicht über Instagram Kunst von Frauen, die sich mit dem Thema beschäftigen und empowernd ist.
Wie hat der Künstler auf die Kritik reagiert?
Er hat gesagt: Er möchte eine Retraumatisierung. Er lässt überhaupt nicht mit sich reden.
Die Ausstellung war schon in anderen Städten. Wie reagierten Passant:innen dort?
Die Figuren wurden von Passant:innen teilweise angefasst, auf sexuelle Art und Weise. Uns wurde gesagt, dass da nicht eingeschritten wurde.
Sie sind selbst Künstlerin und haben sicher einen anderen Blick auf die Ausstellung als andere Aktivist:innen.
Als Frau in der Kunstszene weiß ich: Es sind die männlichen Künstler, die besonders laut sind, die sich gut vermarkten. Das macht Meseg und dazu auf dem Rücken der betroffenen Frauen. Frauen sind zweimal benachteiligt: Sie sind in der Kunst unterrepräsentiert und der Künstler präsentiert sich als der Retter, der was für die Frauen tut. Es geht nicht darum, dass er ein Mann ist. Es geht darum, wie er auf Kritik reagiert. Die blockiert er.
Sie versammeln sich deshalb nahe seiner Ausstellung in Berlin zu einer Protestaktion. Wie sieht die aus?
Wir sind am Donnerstag von 10 bis 18 Uhr mit einem Infostand über Frauenzentren vor Ort. Den genauen Ort geben wir unter #stillnotbroken bekannt.
Werden Sie versuchen, mit dem Künstler ins Gespräch zu kommen?
Wir werden versuchen, Gesprächsangebote zu machen.
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