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Künstler in der UkraineJanukowitschs Kopf ist nicht genug

Die Ukrainer wollen nicht nur den Präsidenten stürzen. Ein Blick auf die Kulturszene des Landes zeigt, dass ihre Forderungen viel tiefer ansetzen.

Europa und die Ukraine. Dazwischen ein Denkmal des Dichters Taras Schewtschenko. Bild: ap

Die Berichterstattung über die Ukraine ist in westlichen Medien auf prominente Oppositionspolitiker wie den Exboxer Vitali Klitschko fokussiert. Das ergibt ein schiefes Bild. Es geht den Demonstranten keineswegs darum, systemimmanent einen Präsidenten gegen einen anderen auszutauschen. Wie tief die gegenwärtigen Proteste ansetzen, kann man eher sehen, wenn man auf die ukrainischen Schriftsteller und Künstler schaut.

Irena Karpa, eine der populärsten jungen Autorinnen des Landes, hat eine „Agenda 5/12“ initiiert. Inzwischen haben sie 6.700 Menschen unterschrieben, darunter auch im deutschsprachigen Raum so bekannte Namen wie Serhij Zhadan, Juri Andruchowytsch, Taras Prochasko oder Andrej Kurkow (hier im Interview).

In der Agenda wird neben dem Schutz der Demonstranten vor Polizeigewalt auch der Rücktritt der ukrainischen Regierung und ein neues Wahlgesetz gefordert. Ein dritter Schwerpunkt betrifft aber auch die emotionale Ebene und fordert die Oppositionspolitiker nachdrücklich auf, ein Reformprogramm für das erste Regierungsjahr aufzustellen. Man werde sie mit allen Kräften unterstützen.

Ukraine aktuell

Das ukrainische Innenministerium hat seine Einheiten vor dem von Regierungsgegnern besetzten Rathaus in Kiew zusammengezogen. Die Anhänger der prowestlichen Opposition riefen „Schande!" und „Zusammen bis zum Ende!", als Busse mit den Uniformierten vorfuhren. Das berichtete ein Reporter der Nachrichtenagentur dpa am Mittwoch vom Bürgermeisteramt.

Hunderte Regierungsgegner haben sich dort verschanzt. Sie besprühten die Uniformierten bei eisiger Kälte mit Wasser. Die Sicherheitskräfte standen mit Schutzschildern vor dem Haus. Die Behörden hatten der ein Ultimatum gestellt und drohen mit der Erstürmung des Gebäudes.

Dabei betonen die Unterzeichner, dass „sie trotz ihrer tiefen Abneigung gegen Janukowitsch nicht seinen Kopf wollen, sondern vielmehr das eigene Land zurückhaben wollen". Ein Land, so heißt es weiter, in dem für „Kreaturen“ wie den Präsidenten Janukowitsch oder den Regierungschef Asarow kein Platz sein wird, „und ebenso wenig für ihre Schläger“.

Wie im Steinzeitkapitalismus

Die Proteste richten sich also auch auf eine ganz andere politische Kultur. Die Schriftstellerin Larysa Denysenko schreibt nach dem blutigen Polizeieinsatz am vergangenen Wochenende auf dem Maidan an Präsident Janukowitsch adressiert: „Sie haben keine Lebens- und Schicksalslinie mehr. Gegen Sie hat sich die Jugend des Landes erhoben. Sie haben keine Zukunft mehr.“

Es gilt sich daran zu erinnern, dass diese Proteste ursprünglich darin gründeten, wie schlecht die herrschenden Politiker mit dem ihnen anvertrauten Staat und den Menschen umgehen. Immer noch sehen diese Politiker den Staat und seine Menschen wie in einem Steinzeitkapitalismus als Ressource zur persönlichen Bereicherung an.

Der Schriftsteller Juri Andruchowytsch bezeichnet Janukowitsch deshalb auch als jemanden, der sich „seit seinem Regierungsantritt wie ein Okkupant in der Ukraine aufführt“. Dieser „Okkupant“ kam durch das Versagen der Politiker nach der Orange Revolution 2004/2005 an die Macht. Schon deshalb wird es nun kein Déjà-vu-Erlebnis einer zweiten Orange Revolution geben, die aktuellen Proteste sind anders. Sie werden von einer jüngeren Alterskohorte getragen, die das politische System der Ukraine viel grundsätzlicher infrage stellt.

Unpolitisch bleiben – trotz Revolution

Diese Alterskohorte – „Me Me Me-Generation“ genannt – wird oft als politisch uninteressiert und extrem ichbezogen charakterisiert. Repräsentiert wird sie von Autoren wie Irena Karpa, Larysa Denysenko oder auch Serhij Zhadan. Die popkulturelle Ästhetik ihrer Werke hat im ukrainischen Kontext zunehmend Fragen der Identität, des kulturellen Gedächtnisses und der individuellen Verortung in einer globalisierten Welt aufgeworfen.

Die politische Instrumentalisierung der Proteste lehnen sie rigoros ab, ebenso wie viele Studenten und jugendliche Demonstranten. Auch die ukrainische Popdiva Ruslana hat die Parole ausgegeben: „Ich bleibe in dieser Revolution unpolitisch.“

Es mag paradox klingen: Aber genau dieser Satz ist Ausdruck einer politischen Haltung. „Sie wollen nicht“, wie Andrej Kurkow schreibt, „dass ihre Vorstellungen in Losungen der Oppositionsparteien verpackt werden. Sie lassen sich ihre Eigenständigkeit und ihre Würde nicht nehmen. Und deshalb lautet ihr Ziel nicht, jemanden an die Regierung zu bringen, sondern in einer zivilisierten europäischen Ukraine zu leben.“

Damit interpretieren die Unterzeichner der Agenda 5/12 auch die traditionelle Rolle der Schriftsteller in der Ukraine neu: Sie treten keineswegs mehr als ehrwürdige Autoritäten auf.

Der Autor Serhij Zhadan bezeichnet die Jugend auf dem Euro-Maidan als „nicht verlorene Generation“, die freilich Kannibalen gegenüberstehe. „Kannibalen, die ihre Gegner auch innerhalb der Grenzen eines Dialogs einfach auffressen können. Aber was diese Gegner mit den Kannibalen machen werden, ist noch nicht ganz raus.“ Und das lässt hoffen.

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4 Kommentare

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  • G
    Gustav

    Leider ist ein Teil meines Artikels nicht veröffentlicht wurden.

     

    Deswegen hier noch einmal die Kurzzusammenfassung des fehlenden Teils.

    1.) Biogasproduktion forcieren

    +Windkraft und Solarenergie

    +Ethanolproduktion(als Treibstoff, (jetzt ergänzt)), dann ist man auch unabhängiger von Erdgaslieferungen im Winter

    + Biogasvorratslager anlegen (unterirdische Tavernen)

    2.) gute Handelsbeziehungen zu EU+ Russland, statt Aufrüstung

    3.) NATO und russische Armee

    sollen nicht in der Ukraine

    sich gegenüberstehen!

    Keine Vorwarnzeiten,

    Meinung im Volk hochgespalten

    3.Weltkrieg darf nicht ermöglicht werden!

    4.) wenn die Ukraine sich Russland total verschließt, müssen sie selber viel Agrarwirtschaft betreiben, dabei wird Tundra und Taiga vernichtet!! (ergänzt)

    5.)Revolutionen und Gewalt sind

    zu einfach; politische Prozesse

    als freier Staat zu gestalten ist anspruchsvoll

    6.)Fehler liegen im Wirtschafts-und Arbeitsressort und Umweltressort

    7.) Klare Sachkritik, keine Personenkritik

    8.)Keine Kriegsrhetorik, keine

    Vernichtungsdrohungen!

    9.) Kein Fracking(Das sind die mit fruchtbarsten Böden der Welt! Die dürfen nicht durch Chemie oder Atomkraftgaus, DU-Munition,RoundUp o.a. Experimente versaut werden!)

  • N
    nichtallesabnicker

    Wunderbare Künstlersprache :

    Kopf wollen, Kreaturen,ihre Schläger ( Polizisten ),

    keine Zukunft mehr ( also raus aus der Ukraine ? ),

    Okkupanten, Kohorten, Kannibalen.

    Wahrscheinlich leben diese Künstler sprachlich noch im römischen Reich,

    wollen aber ein zivilisiertes europäisches Land Ukraine

    Vorbild wahrscheinlich Irak, Lybien, Syrien, Afghanistan.

  • L
    Linkslibero

    Well, mag alles sein. Aber am Ende läuft's doch darauf hinaus: entweder es gelingt, in den nächsten Tagen noch ein paar hunderttausend Leute mehr auf die Straße zu bringen(wonach es nicht aussieht) oder das war's dann vorerst. Zumindest der Ostteil der Ukraine wird Belarus II und fällt ins putinistische schwarze Loch. Es könnte zur Teilung des Landes kommen. So wie Tschechoslowakei in Tschechien und Slowakei. Im Westen wollen 70% EU-Integration, im Osten 80% Zollunion mit Russland. Mögen alle genau das bekommen, was sie begehren.

  • G
    Gustav

    Was genau hat denn Janukowitsch ausgefressen?

    Was wird ihm genau zur Last gelegt?

    Er verhandelte mit Putin. Als Regierungschef verhandelt man mit seinen Nachbarregenten. Das ist ganz normal. Und man brüskiert sie nicht.

    Das ist auch normal!

     

    Die anderen als Kannibalen zu bezeichnen, macht man im Vorgriff

    um ein Vernichtungsansinnen zu legitimieren.

    Das ist nicht innovativ. Das gab es schon zu Zeiten der Religionskriege.

    Und es rechtfertigt Selbstverteidigung!!! Und dieser Mann könnte sich wirklich sehr wirkungsvoll selbst verteidigen!!!!

    Kommt einmal alle herunter UND redet miteinander.

     

    Der Krieg verstümmelt die Seelen, auch wenn die Anfangsmotive hehre gewesen sein mögen, der Sieger wird nachher nicht mehr edelmütig sein,

    sondern immer und überall auch eine Verschwörung wittern und sie beseitigen wollen und dabei wird er vielfach vergleichbar grausam sein,

    wie der den er zu beseitigen suchte.

     

    Eine Ukraine in der EU wird zur Saatguthölle von Monsanto mutieren und

    die Verbraucher zu ihren gentechnlogischen Fraß und Pestiziden zwingen,

    mit denen fiese Diktatoren den Stoffwechsel und das Verhalten und die Fortpflanzung, den Ausbruch von Krebs, Aggression, Dummheit usw. der Untergebenen kontrollieren/auslösen könnten!! An der Börse(siehe Bankenskandale,

    EURIBOR, Libor, Goldstandard) werden die Nahrungsmittelpreise nach Belieben zum Ausschalten von gegnerischen Systemen oder zur Entfachung von Unruhen mißbraucht.

    In russischer Hand würde Getreide, ebenso wie Erdöl und Erdgas zu einer

    sehr starken(gewaltigen) Abhängigkeit gegenüber Russland führen, die nun nicht nur den Luxus, sondern das Überleben der Menschen und die politische Stabilität in Frage stellen könnte. Und auch die Russen haben ihre Biowaffenlabore!!!

    Die Ukraine muss frei und ohne Einbeziehung in irgendein Freihandelsabkommen funktionieren!!