Kündigung von säumigen Mietern: Zu spät bleibt zu spät
Ist die ordentliche Kündigung von Mietern, die ihre Schulden nachzahlen, rechtmäßig? Der BGH sagt mal wieder Ja.
Konkret ging es um eine türkische Familie, die seit 1994 in einer Vierzimmerwohnung in Kreuzberg lebt. Nach der Trennung der Eltern entstanden Mietrückstände. Der Vermieter kündigte fristlos und ordentlich, das heißt mit Kündigungsfrist.
Immerhin gelang es der Familie später, die säumige Miete binnen der sogenannten Schonfrist von zwei Monaten noch zu bezahlen. Dadurch wurde die Kündigung „unwirksam“, wie es im Bürgerlichen Gesetzbuch heißt.
Umstritten ist aber, ob durch die Nachzahlung der Mietschulden auch die ordentliche Kündigung beseitigt wird. Der BGH vertritt seit 2005 die Auffassung, dass die ordentliche Kündigung trotz der Schonfristzahlung bestehen bleibt. Die meisten Vermieter kündigen daher bei Mietschulden meist doppelt, sowohl fristlos als auch ordentlich.
Immer wieder: Landgericht Berlin gegen Bundesgerichtshof
Auch die allermeisten Gerichte folgen inzwischen dem BGH. Nur die 66. Zivilkammer am Landgericht Berlin, eine von fünf Mietrechtskammern des Berliner Landgerichts, leistet nachhaltigen Widerstand. Schon seit Jahren entscheidet sie unter dem Vorsitzenden Richter Rolf-Dietrich Schulz immer wieder anders als der BGH: Die Nachzahlung der Mietschulden beseitige auch die ordentliche Kündigung. Der Gesetzgeber wollte mit der Schonfristregelung Obdachlosigkeit vermeiden. Das könne nur gelingen, wenn auch die ordentliche Kündigung unwirksam werde.
Regelmäßig hob der Bundesgerichtshof die Urteile der renitenten Berliner Mietrechtskammer auf. Das Landgericht solle sich mit der Rechtslage endlich abfinden, nur der Bundestag könne das Gesetz ändern. Doch die Berliner Richter geben nicht auf und erklären dem BGH immer wieder, dass die Rechtslage nicht eindeutig sei und deshalb durchaus mieterfreundlich ausgelegt werden könne.
Auch im Fall der türkischen Familie erklärte die 66. Zivilkammer beide Kündigungen für unwirksam. Die Familie konnte zunächst in der Wohnung bleiben. Allerdings ging der Vermieter in Revision. Und natürlich hob der BGH jetzt das Berliner Urteil auf. Die Begründung liegt zwar noch nicht vor, aber dürfte mal wieder auf den Willen des Gesetzgebers verweisen.
„Jetzt muss dann eben endlich der Bundestag handeln“, sagt Rechtsanwalt Benjamin Hersch, der die Familie am Landgericht vertreten hatte und auch Vorstandsmitglied der linken Anwaltsvereinigung RAV ist.
Im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien heißt es tatsächlich, die Schonfristregelung solle evaluiert werden und bei Bedarf will man „entgegensteuern“. Das zuständige Bundesjustizministerium erklärte jedoch auf Anfrage der taz: „Die Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen.“ Ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl wird da wohl auch nichts mehr passieren.
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