Kryptowährung als Zahlungsmittel: Bitcoins Vormarsch
Die Zentralafrikanische Republik führt die Kryptowährung als offizielles Zahlungsmittel ein – wie schon El Salvador. Was steckt dahinter?
Das Parlament in der Hauptstadt Bangui hat vergangene Woche einstimmig ein Gesetz verabschiedet, das die Verwendung von Kryptowährungen als gesetzliches Zahlungsmittel möglich macht. Die Regierung der Zentralafrikanischen Republik will Bitcoin damit als offizielle Währung einführen.
Das kleine, kriegsgeplagte Land mit seinen rund fünf Millionen ist das erste in Afrika, das die Kryptowährung als gesetzliches Zahlungsmittel zulässt – ausgerechnet das ärmste und am wenigsten entwickelte Land des Kontinents. Weltweit hat bislang nur El Salvador diesen Schritt gewagt.
Die Regierung erhofft sich davon viel. Laut Gourna Zacko, dem zentralafrikanischen Wirtschaftsminister, wird das Gesetz es ermöglichen, Geld deutlich einfacher zu senden und zu empfangen sowie in Fremdwährungen zu tauschen. Zudem soll die Zahlung von Steuerbeiträgen in Kryptowährungen möglich werden. Kritiker werfen nun die Frage auf, warum ein Land, in dem nur elf Prozent der Bevölkerung Zugang zum Internet haben und lediglich 15 Prozent der Menschen zu Hause über einen Anschluss ans Stromnetz verfügen, eine solche Onlinewährung benötigt.
Drei Viertel der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze, können sich also weder Smartphone noch Computer leisten, geschweige denn Bitcoins. „Es ist wirklich wichtig, solche Dinge nicht als Allheilmittel für die wirtschaftlichen Herausforderungen zu sehen, mit denen unsere Länder konfrontiert sind“, warnte Abebe Aemro Selassie, Direktor der Afrikaabteilung des Internationalen Währungsfonds (IWF). „Sie müssen sicherstellen, dass der gesetzliche Rahmen in Bezug auf die Transparenz der Finanzströme und der Governance-Rahmen rundherum solide sind.“
Die Einführung der Kryptowährung als gesetzliches Zahlungsmittel bedeutet für die Zentralafrikanische Republik, dass sich das Land aus der gemeinsamen regionalen Währungsunion herauslösen könnte. Das Land nutzt wie sechs weitere Staaten Westafrikas den CFA-Franc, der unter der französischen Kolonialherrschaft eingeführt wurde und mit einem festen Wechselkurs an den Euro gekoppelt ist. Damit ist er zwar relativ stabil, doch die Hälfte der Währungsreserve ist in der Zentralbank in Paris gebunkert.
Die Afrikaner werfen Frankreich vor, daraus hohe Renditen zu erzielen. „Das ist ein großer Mittelfinger für das französische Wirtschaftssystem“, so Chris Maurice, CEO der Kryptobörse Yellow Card Financial, die für den Betrieb im CFA-Franc-Gebiet lizenziert ist.
Wer profitiert?
Martin Ziguélé, ehemaliger Ministerpräsident und jetzt Abgeordneter der Opposition warnt in einem offenen Brief, dass er „dieses Gesetz vor dem Verfassungsrat angreifen“ werde. Er stellt die Frage: „Wer profitiert davon?“ Die Kryptowährung würde Geldwäsche und kriminellen Aktivitäten die Tür öffnen.
Analysten sehen hinter der Entscheidung den langen Arm des Kremls. Russland unterhält seit 2016 enge Beziehungen zu Präsident Touadéra: Russische Offiziere bilden die marode Armee aus, russische Söldner der privaten Sicherheitsfirma Wagner stellen Touadéras Leibwächter. Russland investiert in dem vom Bürgerkrieg zerstörten Land in Infrastrukturprojekte. Russische Firmen haben Konzessionen zum Abbau von Diamanten und Gold erhalten, vor allem im unsicheren Norden des Landes, wo es keine Banken gibt, um Finanztransaktionen abzuwickeln.
Die Sankt Petersburger Firma M-Invest, die Tochtergesellschaften im Sudan und der Zentralafrikanischen Republik gegründet hat, gehört laut Angaben von US-Behörden dem russischen Oligarchen Jewgeni Prigoschin, einem engen Vertrauten Putins und Hintermann hinter der Sicherheitsfirma Wagner, die in Zentralafrika die Minen bewacht. Diese Firmen profitieren nun in Anbetracht internationaler Wirtschaftssanktionen, darunter der Einstellung des Banküberweisungssystems Swift gegenüber Russland, von der Kryptowährung. Damit lassen sich die Sanktionen umgehen.
Russland gehört weltweit zu einem der führenden Länder im Gebrauch von Kryptowährungen. Laut russischen Medien schickte Parlamentssprecher Sergei Katyrin einen Brief an Ministerpräsident Michail Mischustin, in dem er Vorschläge zur Ausweitung der Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern skizzierte.
Auch andere afrikanische Länder spielen in Anbetracht hoher Inflation mit dem Gedanken, auf die Kryptowährung zurückzugreifen, darunter Uganda und Tansania, die enge Beziehungen zu Russland unterhalten. Die Kenianer sind in Afrika bereits führend in der Nutzung von Bitcoin als Zahlungsmittel, gefolgt von Nigerianern und Südafrikanern. Afrikas bevölkerungsreichstes Land Nigeria hat vergangenen Oktober bereits eine Digitalwährung, eNaira, herausgebracht, die allerdings an die Zentralbank geknüpft ist.
Erfahrungen aus El Salvador
Erfahrungen mit Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel hat dagegen El Salvador. Als Anfang April die Bitcoin-Konferenz 2022 im US-amerikanischen Miami stattfand, wollte El Salvadors Präsident Nayib Bukele eigentlich persönlich anreisen. Zweifellos wäre der lateinamerikanische Staatschef als großer Pionier gefeiert worden, nachdem sein Land als erstes weltweit die Kryptowährung als offizielles Zahlungsmittel eingeführt hat.
Doch dann hinderten ihn „unvorhergesehene Umstände“ an seiner Teilnahme. Bukele hatte gerade wegen tödlichen Gewaltakten den Ausnahmezustand ausgerufen und macht Hetzjagden auf mutmaßliche Mitglieder von Jugendbanden, die er als „Terroristen“ bezeichnet.
Dennoch setzte der Salvadorianer in Miami Zeichen. Er schickte einen künstlichen Vulkan zu dem Mega-Event der Bitcoin-Szene und verwies damit auf sein ambitioniertes Projekt: eine Stadt namens Bitcoin City, die am Fuß eines Vulkans entstehen soll. Den Bau will er mit „Vulkan-Bonds“, Bitcoin-Kredite in Milliardenhöhe, finanzieren. Es geht um eine steuerfreie Zone für heimisches und internationales Kapital, die ohne den bislang dominierenden US-Dollar auskommt. „Während die Welt in Tyrannei verfällt, schaffen wir ein Refugium für die Freiheit“, twitterte er.
Doch die Erfolge, die Bukele im Zuge der Einführung des Bitcoins versprach, sind fraglich. Die Währung werde Überweisungen von in die USA migrierten Angehörigen billiger machen und Touristen sowie Investoren ins Land holen, hieß es, als das Bitcoin-Gesetz am 7. September vergangenen Jahres in Kraft trat.
Jeder Händler, der technisch dazu fähig ist, muss die Kryptowährung akzeptieren, auch Steuern können damit bezahlt werden. Zudem ließ der autoritär regierende Staatschef, der über eine Zustimmung von 80 Prozent der Bevölkerung verfügt, die digitale Geldbörse Chivo Wallet einführen. Wer die App herunterlud, bekam ein Startguthaben von 30 Dollar. Rund 200 Geldautomaten sollten die Nutzung populärer machen.
Kaum von Nutzen für die Bevölkerung
Doch trotz dieser Bemühungen wird die Währung sehr wenig genutzt. In einer Umfrage der Universität UCA haben 70 Prozent der Befragten angegeben, kein Vertrauen in Bitcoin zu haben. Der Industrie- und Handelskammer zufolge haben 86 Prozent der kleineren und mittleren Betriebe die Währung nicht genutzt. Für viele in El Salvador, wo ein Viertel der Bevölkerung in Armut lebt, ist die Nutzung kaum realistisch. Das Tourismusministerium meldet jedoch zwischen November und Dezember eine Steigerung der Besuche um 30 Prozent.
Unabhängig von dieser Entwicklung wirft die neue Währung viele Fragen auf. Schon jetzt ist El Salvador hoch verschuldet und verhandelt mit dem Internationalen Währungsfonds über einen Kredit über 1,3 Milliarden US-Dollar. Dennoch soll Bukele über 220 Millionen US-Dollar in Bitcoins investiert haben, einen Teil davon zu einem Kaufpreis, der wesentlich höher liegt als der jetzige Wert der Kryptowährung von etwa 38.500 US-Dollar. Wegen der hohen Kursschwankungen sowie der Gefahr, dass durch Bitcoin Gelder gewaschen oder Steuern hinterzogen werden forderte der IWF El Salvador dazu auf, das Zahlungsmittel wieder einzustellen.
Für Bukele war diese Aufforderung eine Steilvorlage. „Alles klar, IWF, netter Versuch“, schrieb er zynisch auf Twitter, seinem liebsten Kommunikationskanal. Der Präsident nutzt jede Gelegenheit, um gegen internationale Kritik, insbesondere aus Washington, zu polemisieren. Aber auch aus anderen Gründen dürfte sich seine Regierung enthalten haben, als es in der UNO darum ging, die russische Aggression in der Ukraine zu verurteilen. Schließlich gelten Kryptowährungen als Möglichkeit, um Sanktionen gegen Russland zu umgehen.
Bukeles Projekt könnte das neuen Wind verschaffen. „Wir sind bereit für die Ausgabe von Bitcoin-Bonds und warten nun auf den geeigneten Moment“, erklärte Finanzminister Alejandro Zelaya im März. Mittlerweile habe jedoch der Ukraine-Krieg hohe Preisschwankungen hervorgerufen. Das verzögere die Sache.
Trotz solcher Unsicherheiten und umstrittener Erfahrungen haben Bitcoin und Co ihre Attraktivität für Staaten anscheinend nicht verloren. Vergangene Woche hat das Parlament von Panama beschlossen, Kryptowährungen als gesetzliches Zahlungsmittel zuzulassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“