Krokodil als „Zootier des Jahres“: Mahnung zur Demut
„Zootier des Jahres“ wird man nicht einfach so – nein, das Krokodil hat viel gesehen und wird die Menschheit wohl überleben: Wenn wir es denn lassen.
Geht man mit Kindern in den Zoo, wollen sie die Krokodile sehen. „Das Krokodil, das Krokodil / das schläft am Nil und tut nicht viel“, denkt man und stellt fest: stimmt.
Genauer: Es tut gar nichts. Es liegt da sehr urzeitlich und macht schaudern, weil es auch hochschnellen und einen verputzen könnte. Ein kleines Emblem auf der Infotafel informiert uns über die akute Bedrohungslage, und wir erklären den Kindern, dass man es unbedingt schützen muss; und sind doch sehr froh, dass das not our business ist – schließlich haben wir schon vor ein paar Wölfen Angst.
25 Krokodilarten gibt es, alle sind gefährdet, viele stehen kurz vor der Ausrottung. Dabei sind sie ein Erfolgsmodell der Evolution: Während es uns mit gutem Willen seit vielleicht vier Millionen Jahren gibt, liegt das Krokodil nicht viel tuend seit mindestens 80 Millionen Jahren herum, ohne sich groß verändert zu haben.
Warum auch? Funktioniert ja bestens. In vielerlei Hinsicht ist es das Gegenmodell zum Homo sapiens: ein Energiesparwesen, das im Zweifel nur alle paar Monate Nahrung benötigt. Wo Menschen hektisch herumsumsen, liegt es entspannt in der Sonne. Sozial ist es ebenfalls: Kroko-Mütter sind Helikoptereltern, die ihren Jungen ein Eltern-Taxi von der Nistgrube zum Wasser bieten und sie danach vor Unbill schützen, indem sie Bösewichte wütend vertreiben oder die Kleinen schützend ins Maul nehmen.
Menschenfresser und Modeaccessoire
Doch wenn ein Gnu durch den Fluss watet, schlagen sie in bester Horrorfilmmanier zu. Das Krokodil ist die Verkörperung von Menschenfresser und Modeaccessoire, Überlebensfähigkeit und Verletzlichkeit. Und nun auch „Zootier des Jahres“. Gute Wahl! Ohne Fernreise bekommen wir es nur im Zoo zu Gesicht. Und was wäre schon ein Mensch, der nie ein leibhaftiges Krokodil gesehen, gefürchtet und genossen hätte? Unterm Strich nur ein Beutetier.
Umso schöner, dass die Zoos den Krokodilen heute etwas zurückgeben. Das Philippinen-Krokodil etwa ist in freier Wildbahn fast ausgerottet. Gerade erst wurden im Kölner Zoo geschlüpfte Junge in der Heimat der Ahnen freigelassen. Zur Wiedergutmachung quasi. Und doch könnte das Krokodil, das schon die Saurier kommen und gehen sah, auch uns überleben. Es sei uns Mahnung zur Demut.
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