Kroatiens Vergangenheit: Der Stolz überdeckt Verbrechen
Am 4. August feiert Kroatien. Doch die Differenzierung zwischen dem Befreiungskrieg der Kroaten und dem Angriffskrieg in Bosnien und Herzegowina fehlt.
N iemand kann und sollte den Kroaten den Stolz auf einen historischen Sieg vor 25 Jahren nehmen, der dem Land nach mehr als 1.000 Jahren Fremdherrschaft die ersehnte nationale Selbstbestimmung eingebracht hat.
Zwar war es die serbische Führung selbst, die alle Serben aufforderte, angesichts des kroatischen Angriffs zu fliehen, was 200.000 auch taten. Das, was dann kam, ist jedoch nicht zu rechtfertigen. Dass Polizisten und Zivilisten 410 zurückgebliebene alte Leute ermordeten und niemand dafür verurteilt wurde, trübt das Bild. Und dass man danach vieles getan hat, die seit Jahrhunderten ansässige serbische Bevölkerung in Kroatien daran zu hindern, nach dem Krieg zurückzukehren, ist unanständig.
Immerhin wurde jetzt vonseiten der Führung gegen den Widerstand von Extremisten versucht, da eine Wende einzuleiten und nicht nur einen Repräsentanten der Serben zu den Feierlichkeiten einzuladen, sondern auch an die ermordeten Serben offiziell zu erinnern. Die gleichzeitige Dekorierung eines kroatischen Kriegsverbrechers aus Bosnien und Herzegowina jedoch trübt diesen guten Eindruck.
Die kroatische Führung differenziert offenbar nicht zwischen dem Befreiungskrieg der Kroaten in Kroatien 1991–95 und dem Angriffskrieg der bosnisch-kroatischen HVO in Bosnien und Herzegowina 1993/94. Die kroatische Seite hat in Bosnien Kriegsverbrechen begangen, die mit der Auszeichnung des Generals legitimiert werden. Wie schon die Feierstunde im Parlament für die in Den Haag verurteilten Kriegsverbrecher 2017. Die Taten der bosnischen Kroaten werden als Teil des Befreiungskrieges der kroatischen Nation dargestellt.
Das ist für Kroatien selbst gefährlich, denn es weckt den Wunsch nach einem Großkroatien, nach ständiger Einmischung und Destabilisierung des instabilen Nachbarlandes. Das ist ein purer und gefährlicher Nationalismus, bei dem jetzt sogar der sozialdemokratische Präsident mitwirkt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?