piwik no script img

Kritik an deutscher InnovationspolitikSchneller und mutiger erneuern

Ein OECD-Gutachten kritisiert die deutsche Innovationsstrategie. Es empfiehlt, ein „Experimentallabor für Innovationen“ einzurichten.

Deutschland soll „agiler, risikotoleranter und experimentierfreudiger“ werden Foto: Darius Simka/regios24/imago

Berlin taz | Deutschland sieht sich selbst gern als ein ausgesprochen innovatives Land, dem andere das Wasser nicht reichen können. Von außen gesehen fallen die Schwächen eher auf. Da wirkt die Bundesrepublik im internationalen Innovations-Wettlauf vielmehr wie eine Schnecke, die langsamer als die Konkurrenten vorankommt. In der Regierung arbeiten die Ministerien nur unzureichend zusammen; jedes pflegt lieber seinen eigenen Innovations-Vorgarten, statt sich zu einer großen Mission – etwa gegen den Klimawandel oder für eine Kreislaufwirtschaft – zu verbünden.

Diese Kritik hat jetzt der führende Thinktank der Industrienationen, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), in einem Gutachten über die deutsche Innovationspolitik geäußert. Wenn Deutschland in seinen Kernbranchen wie Automobilbau, Maschinenbau oder Chemie weiter vorne mitmischen wolle, dann müsse es in seinen Innovationsanstrengungen „agiler, risikotoleranter und experimentierfreudiger“ werden, heißt es in der Untersuchung, die im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums entstanden ist.

„Deutschland muss die Innovationspolitik reformieren, um die Wettbewerbsfähigkeit seiner Industrie zu sichern“, betont die OECD.

Schlimm sei es vor allem um die Digitalisierung bestellt. „Bisher verharrt der Anteil der Informations- und Kommunikationstechnik an den Investitionen deutscher Unternehmen auf niedrigem Niveau“, stellen die Pariser Experten fest. Mit nur 6,6 Prozent im Jahr 2021 bilde Deutschland in der G7-Gruppe das Schlusslicht und liege deutlich hinter führenden Ländern wie den Vereinigten Staaten (17,1 Prozent) oder Frankreich (18,4 Prozent). „Auch im Bereich autonomes Fahren und in anderen wichtigen digitalen Schlüsseltechnologien ist der Rückstand der deutschen Industrie auf konkurrierende Volkswirtschaften groß“, heißt es in dem 374-Seiten Report.

Ein neues Instrument

Neben der bemerkenswert deutlichen Kritik sind aber auch die positiven Vorschläge interessant, die die OECD macht. Im Unterschied zur Ampel-Koalition, die als neues Instrument ihrer Innovationspolitik die Gründung einer „Deutschen Agentur für Transfer und Innovation“ (DATI) verfolgt, schlägt die OECD als schlankeren Ansatz die Einrichtung eines „Experimentallabors für Innovationen“ vor.

Aufgabe des in Form einer „Public-Private-Partnership“ organisierten Labors sollte es sein, so der Report, „vielversprechende Innovationen im gesamten Ökosystem von Wissenschaft, Technologie und Innovation zu fördern“. Das Labor hätte auch den Auftrag, die Abstimmung zwischen Fachministerien, öffentlichen Einrichtungen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu verbessern.

Es könnte „regionale Kompetenzen nutzen, um die Entwicklung und Skalierung besonders vielversprechender Regulierungs- und Politikansätze zur Bewältigung von Innovationsherausforderungen zu beschleunigen.“

Der OECD-Vorschlag ist ein neuer Akzent in der deutschen Innovationsdebatte, die derzeit vor allem um die Formulierung der „Zukunftsstrategie Forschung und Innovation“ kreist, die federführend im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erstellt wird. Ob er Aufnahme ins Dokument der Bundesregierung findet, wird sich bis Anfang 2023 zeigen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Wenn jemand von der TAZ auf dem Maschinenbau-Gipfel in Berlin gewesen wäre (mit Scholz und Habeck), hätte viele Vorträge zum Klimaschutz gesehen z.B. von MAN oder GEA. Die Firmen stehen in den Startlöchern mit Investitionen, Produkten und auch dem Willen.

    Was fehlt, sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen und eine schnelle Verwaltung. Da hakt es gewaltig, beim Staat. Und mehr Staat hilft da wohl nicht. Sieht man an den Windrädern.

  • Heisst also im Prinzip, ManagerInnen aus der Industrie (Auto, Maschinen, Chemie) scheinen sich auf die reine Verwaltung, und das nicht-digital, zu beschränken. Keine der angeblich fortschrittlichen Industrien denkt an also an die Zukunft. Nur der Staat kann richten. Ob das wirklich die Lösung ist?

    Und dann der Zukunftsvorschlag: Eine neue Agentur als der Stein der Weisen. Das kann es doch nicht sein! Jede Universität hat Zentren als Mittler zwischen Forschung und Industrie. Es gibt sogar eine speziell anwendungsorierentierte Forschungseinrichtung, die Fraunhofer Institute. Eine zusätzliche Agentur wird da sicher genau fehlen, Mittel abziehen, Reibungen schaffen, immer weiter vergrößert werden, weil der Effekt noch nicht erreicht wurde und irgendwann to big to fail sein. Und dann stellt ein neues Gutachten fest, dass man eine neue, besser organisierte Agentur braucht....