Kritik an Richterschelte: Ein Sturm der Entrüstung
Die Braunschweiger Grünen bewerten ein Gerichtsurteil gegen einen Flughafengegner als fragwürdig. Das bringt die örtliche CDU auf die Palme.
Einen "Angriff auf den Rechtsstaat" will Braunschweigs Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) ausgemacht haben, weil die Grünen ein Gerichtsurteil kritisiert haben. Die Fraktion hatte sich mit Peter Rosenbaum solidarisiert, der für die Bürgerinitiative Braunschweig (BIBS) im Rat der Stadt sitzt. Rosenbaum war vom Amtsgericht wegen Vergehen im Rahmen einer Demonstration zu rund 20.000 Euro Strafe verurteilt worden. Nach Ansicht der Grünen geschah das, weil die Verwaltung ihn habe "mundtot machen" wollen.
"Verhältnisse wie in Weißrussland, Nordkorea oder in anderen autoritären Staaten" hätten die Grünen damit der örtlichen Justiz unterstellt, findet die Braunschweiger CDU und gerät deshalb ganz aus dem Häuschen: Der CDU-Vizefraktionsvize Carsten Müller wittert einen "politischen Skandal ersten Ranges", Oberbürgermeister Hoffmann spricht von einer "unglaublichen Entgleisung".
Peter Rosenbaum war im November vom Amtsgericht wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht, Nötigung, Aufforderung zu Straftaten und Hausfriedensbruch verurteilt worden. Er soll unter anderem gegen Demonstrationsauflagen verstoßen haben, weil er ein Megafon benutzt hatte und die Demonstration, die Rosenbaum geleitet haben soll, auf der Straße und nicht dem Gehsteig stattfand. Rosenbaum kämpft dagegen, dass der Querumer Forst dem Ausbau des Braunschweiger Flughafens weichen soll.
"Die Ordnungswidrigkeiten, für die Peter Rosenbaum angeklagt wurde, sind im Wesentlichen Lappalien, bei denen kein nennenswerter Schaden entstanden ist", kritisierten die Grünen. Offensichtlich gehe es bei der Strafanzeige um "Durchsetzung von Macht". Dass Staatsanwaltschaft und Gericht "im Wesentlichen der Argumentation des Oberbürgermeisters gefolgt sind", fanden die Grünen "bemerkenswert".
Damit trat die Fraktion einen Sturm der Entrüstung los, der sogar das niedersächsische Justizministerium auf den Plan rief. "Gerichte sind unabhängig und urteilen ohne Ansehen der Person", reagierte ein Sprecher auf die Stellungnahme der Grünen. Amtsgerichtssprecher Rolf Nitschke sagte der Braunschweiger Zeitung, die Aussagen der Grünen ließen ein "Verständnis der Grundzüge von Rechtsstaat und Demokratie" vermissen. Oberbürgermeister Hoffmann hätte den Grünen das früher zugetraut, "aber doch nicht mehr jetzt, wo die Grünen selbst reklamieren, eine staatstragende Partei zu sein".
Die Grünen reagieren gelassen auf die Kritik. "Wir buchen das unter Wahlkampfgetöse der CDU ab", sagt die Fraktionsgeschäftsführerin Barbara Schulze. Die Auseinandersetzung sei von den Konservativen inszeniert. "Das machen wir nicht mit", sagt der Fraktionsvorsitzende Holger Herlitschke.
Ihre Kritik halten die Grünen aufrecht. Ziel der CDU-geführten Verwaltung sei es, den BIBS-Ratsherrn Rosenbaum "mundtot zu machen", bekräftigt Herlitschke. Bereits hinter den Demonstrationsauflagen, gegen die Rosenbaum verstoßen hatte, vermuten die Grünen Schikane.
Überrascht von den Debatten über das Urteil zeigte sich Peter Rosenbaum selbst. "Die Solidarisierung der Grünen hatte ich nicht erwartet", sagt er.
Rosenbaum ist in Berufung gegangen. Er denkt gar nicht daran, sich mundtot machen zu lassen. Seit dem 8. Januar demonstriert seine Initiative jeden Tag gegen die Abholzung. "Wir sind guten Mutes, den Forst retten zu können", sagt er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!