piwik no script img

Kritik an Rheinmetall-NiederlassungAufrüstungsprotest am Soldatendenkmal

Ak­ti­vis­t*in­nen haben das Kriegerdenkmal „Heger Tor“ in Osnabrück umgewidmet. Sie protestieren so gegen eine geplante Rheinmetall-Niederlassung.

War nicht lange zu sehen: Der Schriftzug am Kriegerdenkmal Heger Tor in Osnabrück Foto: privat
Harff-Peter Schönherr

Aus Osnabrück

Harff-Peter Schönherr

In der Nacht vom 25. auf den 26. November hatte das Kriegerdenkmal Heger Tor in Osnabrück Besuch von Antimilitarismus-AktivistInnen. Danach trug der triumphbogenartige Bau statt seiner goldenen Original-Inschrift, gewidmet „den Osnabrückischen Kriegern, die bei Waterloo den 18. Juni 1815 deutschen Muth bewiesen“, in schwarz auf weiß die Botschaft: „Kriegstüchtig? Nicht mit uns! Rausmetall.org.“

Es war eine Protestaktion gegen eine mögliche Niederlassung des Rüstungskonzerns Rheinmetall in Osnabrück, im krisenbedrohten VW-Werk – eine Konversionsdebatte, über die auch die taz berichtet hat.

Rausmetall versteht sich nicht als feste Gruppe, sondern als Motto, hinter dem viele zusammenkommen, offen auftretende Personen, aber auch Unbekannte. Der vergangene Woche auf das Heger Tor angebrachte Schriftzug spielt auf die Forderung von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) an. Deutschland müsse „bis 2029 kriegstüchtig sein“, sagte er Mitte 2024. Pistorius war 2006 bis 2013 Osnabrücker Oberbürgermeister. Besonders in der selbsternannten „Friedensstadt“ Osnabrück hört sich seine Forderung seltsam an.

Rausmetall-Botschaft war nicht lange zu sehen

Das Heger Tor, 1817 erbaut, gedenkt Soldaten aus Osnabrück, die in der King’s German Legion unter dem britischen Befehlshaber Wellington bei Waterloo gegen Napoleon kämpften. Die Rausmetall-Botschaft war auf ihm nicht lange zu sehen. Nach zwei Reinigungsmaßnahmen im Auftrag der Stadt, 2.500 Euro teuer, war sie weg.

Am Montag gab die Stadt dann bekannt, dass die vergoldete Legierung der historischen Inschrift beschädigt wurde und restauriert werden muss. „Die Kosten für diese Restaurierung dürften nach einer ersten Einschätzung ein Vielfaches der Reinigungskosten betragen“, so ein Sprecher.

Keine Aufrüstung, weder bei den Armeen noch an den Grenzen und bei der Polizei. Nicht nur ein Osnabrück, sondern eine Welt ohne Rheinmetall und auch ohne alle anderen Rüstungskonzerne!

Statement von Rausmetall

Der Aktivist Sascha Bachmann von „Rausmetall“ sagte der taz, das Waterloo-Tor sei aus mehreren Gründen ideal für die Aktion gewesen: „Es ehrt einen Kriegspakt, das Sterben fürs Vaterland, den Patriotismus. Und es bot eine besonders gute Sichtbarkeit, denn das ist ja ein Ort, den alle Osnabrücker kennen.“ Die Website, auf die die neue Inschrift führte, zählt die argumentativen Hintergründe auf, „gegen das aktuelle Kriegstreiberei-Narrativ“, so Bachmann.

Rausmetall wolle „eine Entmilitarisierung der Gesellschaft, weniger Waffen statt mehr“, heißt es da. Und gefordert wird: „Keine Aufrüstung, weder bei den Armeen noch an den Grenzen und bei der Polizei. Nicht nur ein Osnabrück, sondern eine Welt ohne Rheinmetall und auch ohne alle anderen Rüstungskonzerne!“

Osnabrück verurteilt „Beschmierung des Wahrzeichens“

Die CDU Osnabrück-Stadt verurteilt die „Beschmierung unseres historischen Wahrzeichens“ auf Instagram mit „größter Entschiedenheit“. Osnabrücks Oberbürgermeisterin Katharina Pötter (CDU) hatte sich in der Neuen Osnabrücker Zeitung im Frühjahr 2025 zitieren lassen, sollte eine Rüstungsproduktion in Osnabrück dabei helfen, „dass wir unsere Demokratie, unsere Freiheit und unsere Art zu leben verteidigen können, dann wäre das aus meiner Sicht ein wichtiger und verantwortungsvoller Beitrag für Frieden und Sicherheit.“

„Das ist ein Aufreger“, sagt der Aktivist Bachmann. „Aber Aufreger sind ja nicht immer schlecht. Und wenn der örtlichen CDU nicht gefällt, was man macht, und ihrer Oberbürgermeisterin Katharina Pötter, weiß man, dass man nicht verkehrt liegt.“ In Zeiten autoritärer Zuspitzung brauche man solche Aktionen. „Die Alternative wäre, sich keiner Konfrontation auszusetzen, der Bequemlichkeit halber, aber das verbietet sich.“

Die Stadt Osnabrück hat Anzeige erstattet. „Der derzeitige Vorwurf beinhaltet den Straftatbestand der Gemeinschädlichen Sachbeschädigung“, schreibt Jannis Gervelmeyer, Sprecher der Polizeiinspektion Osnabrück auf taz-Anfrage. Maximales Strafmaß: Drei Jahre Freiheitsentzug. Die Ermittlungen dauern an.

Die Polizei fährt dabei schweres Geschütz auf: Beim „Vorliegen des Verdachts einer politisch motivierten Straftat“, schreibt Gervelmeyer, „obliegen die Ermittlungen dem polizeilichen Staatsschutz“.

Diese Form des vermeintlichen Protests passt auch nicht in unsere Friedensstadt: Wir reden und streiten hier auf Augenhöhe und agieren nicht aus der Anonymität heraus.

Statement der Stadt Osnabrück

Die Stadt Osnabrück verurteile „die illegale Aktion aufs Schärfste“, schreibt der Sprecher der Stadt Constantin Binder der taz. „Das Heger Tor ist ein bedeutendes kulturelles Wahrzeichen der Stadt Osnabrück, dessen Verunstaltung ein Schaden an der Allgemeinheit ist und dementsprechend geahndet werden wird. Diese Form des vermeintlichen Protests passt auch nicht in unsere Friedensstadt: Wir reden und streiten hier auf Augenhöhe und agieren nicht aus der Anonymität heraus.“ Die Farbe habe sich „restlos“ beseitigen lassen.

Dem Zusammenhang Rausmetall, laut Bachmann vor einigen Monaten in Osnabrück entstanden, werden noch weitere Aktionen zugeschrieben. Antikriegs-Straßenschildüberklebungen zum Beispiel. Aus „Vaterlandsweg“ wurde „Deserteursstraße“.

Einen Tag nach der Rausmetall-Aktion am Heger Tor titelt n-tv: „Rheinmetall winkt bei VW-Werk in Osnabrück vorerst ab“. Rausmetall dazu: Noch sei „nicht der Zeitpunkt, um zu feiern“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!