Kritik an Artenschutzkonferenz in Bonn: "Die Biodiversität wird kommerzialisiert"
UN-Konferenzen tragen dazu bei, den Naturschutz zu reduzieren auf den Schutz von handelbaren Ressourcen, kritisiert Ulrich Brand.
taz: Herr Brand, was stört Sie an den UN-Verhandlungen über die biologische Vielfalt, die am Montag in Bonn beginnen?
ULRICH BRAND (41) ist Mitglied der Arbeitsgruppe Sozialökologische Politik in der Bundeskoordination Internationalismus (Buko).
Ulrich Brand: Auch wir finden sie wichtig. Sie schaffen Aufmerksamkeit dafür, dass biologische Vielfalt verloren geht. Aber diese Treffen tragen dazu bei, die Biodiversität zu kommerzialisieren. In dieser Logik soll Naturschutz dafür sorgen, dass die Industrie Pflanzen und andere genetische Ressourcen nutzen kann, zum Beispiel um Medikamente herzustellen.
Aber in Bonn verhandeln die Industrie- und Entwicklungsländer doch auch darüber, wie die Gewinne aus solchen Geschäften gerecht verteilt werden können.
Das Problem ist, dass die Verhandlungen von Regierungen geführt werden. Es kommen zwar Vertreter indigener Völker zu Wort, sie haben aber kaum Einfluss. Vor allem dann nicht, wenn sie die Nutzung etwa ihrer Heilpflanzen durch Konzerne im Norden grundsätzlich ablehnen. Bisher sind nur die beteiligt, die nicht so kritisch sind. Und auch diese Leute dürfen nur beraten, nicht mitverhandeln.
Die Delegierten reden auch darüber, wie der internationale Handel mit gentechnisch veränderten Organismen geregelt werden soll. Was halten Sie davon?
Wir sind komplett gegen Gentechnik. Deshalb halten wir auch keine Diskussion darüber für sinnvoll, wer haftet, wenn transgene Saaten sich mit konventionellen mischen. Eine Koexistenz ist nicht möglich.
Welche Themen fehlen bei den Treffen?
Die Frage, ob Pflanzen überhaupt patentiert werden dürfen, spielt bisher keine Rolle. Unsere Forderung lautet: Keine Patente auf Leben. Im Moment ist es extrem schwierig, ein Patent rückgängig zu machen. Das sollte man zum Beispiel, wenn die Völker, denen die Pflanzen gehören, nichts von den Gewinnen abbekommen. Auch muss endlich die Militarisierung der biologischen Vielfalt zur Sprache kommen: In Kolumbien etwa können Forscher nur deshalb Heilpflanzen für Medikamente sammeln, weil das Militär jeglichen Widerstand unterdrückt.
Naturschutz steht auf der Tagesordnung der Biodiversitätskonferenz aber ganz oben. Ist das nicht gut?
Dahinter steckt ein Konzept des Naturschutzes ohne Menschen. Für manche Schutzgebiete etwa in Lateinamerika wird die lokale Bevölkerung vertrieben, weil sie angeblich Brandrodung betreibt. Wenn die Menschen vertrieben sind, kommen die Pharmakonzerne. Da der Norden seine Natur weitgehend zerstört hat und so viel verbraucht, werden jetzt auf Kosten des Südens Schutzgebiete ausgerufen. Es geht auch nicht, dass man Naturschutzgebiete einrichtet und diese dann von internationalen Nichtregierungsorganisationen verwaltet werden. Das müssen die Einwohner selbst und nach ihren eigenen Bedürfnissen machen.
Bieten die Konferenzen denn auch Chancen für ihre Kritiker?
Wir werden die internationale Aufmerksamkeit für Protestaktionen auf der Straße nutzen. Im Internet werden wir regelmäßig über die Verhandlungen aus unserer Sicht berichten. Das ist schon ein Kampf David gegen Goliath, aber den Kopf in den Sand zu stecken und nichts zu machen ist die schlechtere Alternative.
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