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Kritik am Kohle-AusstiegsgesetzIntransparente Entschädigung

Das Kohlegesetz sorgt kurz vor seiner Verabschiedung weiter für Streit. Laut Ökoinstitut bekommen die Betreiber viel zu viel Geld.

Auch hier herrschte am Mittwoch wenig Transparenz: Greenpeace-Aktion an der CDU-Zentrale Foto: Hannibal Hanschke/reuters

Am Freitag ist es so weit: Dann soll der Bundestag nach langen Verhandlungen die beiden Gesetze verabschieden, mit denen der Ausstieg aus der Kohlenutzung und die Anpassungsgelder für die Kohleregionen geregelt werden. Teil des Pakets sind hohe Entschädigungen: RWE soll als Betreiber der Braunkohle-Tagebaue und -Kraftwerke im Rheinland 2,6 Milliarden Euro bekommen, die Leag für die ostdeutschen Reviere 1,75 Milliarden. Vor allem an der Entschädigung für die Leag hatte es von Anfang an viel Kritik gegeben, denn sie fördert durch den vereinbarten Ausstieg gar nicht viel weniger Kohle als ohnehin geplant.

Als Reaktion auf diese Kritik hatte das Bundeswirtschaftsministerium ein Konsortium aus Wirtschaftsprüfern damit beauftragt, die Planungen der Betreiber zu überprüfen. Doch auch zwei Tage vor der geplanten Verabschiedung des Gesetzes ist ihr Gutachten noch immer nicht veröffentlicht worden. Mitte Juni hatte das Wirtschaftsministerium auf Anfrage der Grünen-Abgeordneten Lisa Badum mitgeteilt: „Bislang liegt lediglich eine Entwurfsfassung des Gutachtens vor, weshalb den Ergebnissen an dieser Stelle nicht vorgegriffen werden kann.“

Auf taz-Anfrage erklärte das Ministerium am Mittwoch, das Gutachten solle „sehr zeitnah“ veröffentlicht werden. Ob das noch vor der Bundestagsabstimmung geschieht, blieb offen. Der Wirtschaftsausschuss stimmte den Entschädigungen am Mittwoch bereits zu, ohne ihre Grundlage zu kennen. Badum ist darüber empört: „Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung selbst die Kohlebetreiber durchleuchten ließ und diese Ergebnisse jetzt vor den Abgeordneten und der Öffentlichkeit unter Verschluss hält“, sagte sie der taz.

Greenpeace verhüllt die CDU-Zentrale

Gegen die mangelnde Transparenz protestierte am Mittwoch auch Greenpeace: Mehrere Kletterer der Umweltorganisation verhängten die komplette Fassade der CDU-Parteizentrale mit schwarzem Stoff und prangerten auf einem Transparent „Dunkle Geschäfte mit der Kohleindustrie“ an. „Minister Altmaier hat mit der Kohleindustrie eine milliardenteure und zu lange Betriebsdauer für ihre besonders klimaschädlichen Braunkohlekraftwerke ausgehandelt“, sagt Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid. „Das vorliegende Kohlegesetz verhöhnt den Klimaschutz. Es muss komplett überarbeitet werden, bevor diesen Freitag darüber im Bundestag abgestimmt werden kann.“

Das vorliegende Kohlegesetz verhöhnt den Klimaschutz

Karsten Smid, Greenpeace

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte den Ausstiegsplan im Bundestag dagegen als einen „ganz wichtigen Schritt“. Den Vorwurf, dass die Empfehlungen der Kohlekommission nicht exakt umgesetzt würden, wies sie zurück: „Im Grundsatz folgen wir dem Ausstiegspfad einigermaßen“, sagte die Kanzlerin.

Das Freiburger Öko-Institut hat am Mittwoch unterdessen eigene Berechnungen zur Höhe einer angemessenen Entschädigung vorgelegt: Angesichts der gesunkenen Wirtschaftlichkeit der Braunkohle sei die geplante Zahlung an die Leag etwa eine Milliarde zu hoch, heißt es darin. Bei RWE hänge dies davon ab, wie hoch die ausstiegsbedingten Umbaukosten der Tagebaue seien; die geplante Entschädigung könne bis zu einer Milliarde zu hoch sein.

Grüne stimmen beim Strukturwandel zu

Eine Mehrheit für die Gesetze gilt in Bundestag und Bundesrat als sicher. Das Ausstiegsgesetz, das die Grünen im Bundestag wegen zahlreicher Kritikpunkte ablehnen wollen, können sie trotz ihrer Beteiligung an elf Landesregierungen im Bundesrat nicht aufhalten, denn es ist dort nicht zustimmungspflichtig. Dem Strukturstärkungsgesetz, in dem die Gelder für die betroffenen Regionen zugesagt werden, muss die Länderkammer dagegen zustimmen – und wird das wohl auch mit den Stimmen der grün regierten Länder tun.

Auch im Bundestag werden die Grünen diesem Gesetz zustimmen, sagte Fraktionsvize Oliver Krischer der taz. „Das ist ein wichtiges Signal für die Regionen und trotz Kritik im Detail ist der grundsätzliche Ansatz dabei richtig.“

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