Kritik am Entlastungspaket des Bundes: Viel zu wenig für zu viele
Das Entlastungspaket des Bundes sorgt für scharfe Kritik in Berlin. Die Inflation zehre das meiste wieder auf, warnt die Caritas.
Eine Aufstockung des bisher 380 Millionen Euro schweren Härtefallfonds des Landes, der vor allem Menschen mit geringem Einkommen, aber auch soziale Träger bei den steigenden Energiepreisen im Winter helfen soll, hatten die Spitzen von SPD, Grünen und Linke bereits Ende August beschlossen. Strittig innerhalb der Koalition ist aber noch, um wie viel nachgesteuert werden soll.
SPD-Fraktionschef Raed Saleh drängt auf 1 Milliarde Euro; die Grünen – zuvorderst ihr Finanzsenator Daniel Wesener – sind da bisher deutlich zurückhaltender. Nicht zuletzt hatte man auch erstmal darauf gewartet, was der Bund am Wochenende noch beschließen würde.
Durchaus unzufrieden mit dem Ergebnis zeigte sich Linken-Sozialsenatorin Katja Kipping: „Schon vor der Explosion der Energiepreise hätten die Hartz-IV-Sätze um 200 Euro im Monat höher ausfallen müssen“, sagte Kipping. Nun komme lediglich eine Erhöhung um 50 Euro, wenn ab Januar das neue Bürgergeld die alten Hartz-IV-Regelsätze ersetzt. „Armutsfeste Sozialleistung geht anders. Das Entlastungspaket enttäuscht“, kritisierte Kipping.
„Die wesentlichen Eckpfeiler dieses Entlastungspakets sind unzureichend“, sagt auch Kai-Gerrit Venske, bei der Berliner Caritas unter anderem für Wohnungslosenhilfe und Existenzsicherung zuständig. „Der neue Regelsatz für Sozialhilfeempfänger ist immer noch zu viel zu knapp bemessen – das zehrt die Inflation sofort auf.“
Die Lebensmittelpreise sind im August laut Landesamt für Statistik im Vergleich zum Vormonat um 18 Prozent gestiegen, insbesondere Butter und Sonnenblumenöl sind teuer geworden. Die Abschläge für Heizöl und Gas stiegen im Durchschnitt um das Doppelte, so die Statistiker.
„Die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel müsste abgesenkt werden“, fordert Venske von der Caritas. In die Suppenküche des Franziskaner-Klosters in Pankow zum Beispiel kämen nun zunehmend auch Menschen, die sich vorher noch selbst versorgen könnten. Diese Beobachtung machen auch andere Sozialverbände und die Berliner Tafel seit Wochen öffentlich.
Überlastete Sozialberatungen
Wichtig sei auch, sagt Venske, die zunehmend überlasteten Anlaufstellen in der Krise weiter auszubauen: In den unabhängigen Beratungsstellen der Caritas finanziere das Land rund 1,5 Stellen pro Bezirk, sagt Venske. Damit könne man kaum etwas bewirken.
Für Montagabend hat die Linke bundesweit zu einer Demo nach Leipzig mobilisiert; deren Motto: „Preise runter – Energie und Essen müssen bezahlbar sein!“ Dass es, trotz Entlastungspaket, ein heißer Herbst bleiben wird, glaubt auch die Berliner Linken-Landeschefin Katina Schubert: „Es gibt ein paar vernünftige Ansätze, etwa die Anhebung und Ausweitung beim Wohngeld – aber insgesamt reicht das nicht“, sagt sie der taz am Montag.
In zwei Wochen werde man nun in der rot-grün-roten Koalition sehr genau schauen müssen, „wo wir nachsteuern müssen“. Konkret nannte Schubert einen „Sozialstromrabatt“ als Möglichkeit – eine Art Strom-Sozialtarif für Menschen mit geringem Einkommen. Staatliche Beihilfe zu den Stromkosten gibt es bisher für Hartz-IV-Empfänger*innen, anders als bei den Heizkosten, nicht. Unklar ist auch noch, wie die geplante Strompreisbremse des Bundes finanziert werden soll.
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