Kritik am Bundestagsbeschluss: Studierende gegen Syrien-Einsatz
Studierende der Friedens- und Konfliktforschung wenden sich gegen den Syrien-Einsatz. Es gebe zu viele Interessen in der Region.
Nach dem Beschluss des Bundestags sind Valeria Hänsel und Tim Bader, beide Mitglieder des Fachschaftsrates Marburg, erschrocken und enttäuscht: „In drei Tagen wurde der Einsatz im Bundestag durchgepeitscht, wichtige ExpertInnen wurden nicht gehört“, sagen sie. Es gebe keine Strategie der Bundeswehr, wichtige Fragen seien nicht geklärt.
Die Studierenden werfen den Abgeordneten vor, sich über die Anzahl der unterschiedlichen Interessen in der Region nicht im Klaren zu sein. Russland verfolge beispielsweise ganz andere Ziele als die europäischen Staaten oder die KurdInnen.
„Die Lage in Syrien hat sich mit den Anschlägen von Paris nicht grundsätzlich gewandelt,“ sagt Tim Bader. „Die Begründung für den Einsatz lautet: Wir in Europa müssen uns schützen, die Bevölkerung in Syrien ist uns egal.“ Die Studierenden fürchten, es könnten ZivilistInnen sterben oder in die Hände des IS getrieben werden.
Es gäbe auch nicht-militärische Maßnahmen
Vollkommen unklar sei zudem die Rolle des syrischen Präsidenten Assad in dem Konflikt. Verteidigungsministerin von der Leyens Äußerung, es werde keine Lösung mit Assad geben, trauen sie nicht. „Letztlich kann der IS ohne Bodentruppen nicht geschlagen werden,“ sagt Tim Bader. „Und dafür kommen Assads Truppen am ehesten in Frage.“
In dem Brief sprechen sich die Studierenden für nicht-militärische Strategien gegen den „Islamischen Staat“ aus: Die Unterbindung des Ölschmuggels etwa, der eine große Einnahmequelle des IS ist, oder einen Stopp der Waffenlieferungen an Staaten, die den IS unterstützen.
Vor allem aber müsse es einen Dialog mit allen Beteiligten geben. „Wichtig ist, dass sich alle Akteure an einen Tisch setzen und gemeinsam überlegen, wie der IS zu bekämpfen ist,“ sagen Bader und Hänsel übereinstimmend. Die Vereinten Nationen müssten dabei eine wichtige Rolle spielen.
Dort ist noch keine Entscheidung über ein militärisches Eingreifen gefallen. Die jüngst verabschiedete Resolution des Sicherheitsrates rechtfertigt keine militärischen Mittel nach Kapitel VII der UN-Charta. Die Luftangriffe von Frankreich, den USA und Russland basieren letztlich nicht auf der UN-Resolution, sondern auf eigenen Argumentationen. Vor allem Frankreich beruft sich nach den Anschlägen von Paris auf das Recht auf Selbstverteidigung nach Art. 51 der UN-Charta.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos