Krisenpläne im italienischen Fußball: Wirre Konzepte
Die Wiederaufnahme der Saison in der italienischen Serie A wird kaum vor Juni möglich sein. Der deutsche Beschluss könnte richtungsweisend sein.
Für Sassuolo Calcio war der Wiedereinstieg ins Training ganz einfach. „Wir tauschen einfach den Park gegen unser Trainingszentrum aus“, ließ sich Sportdirektor Giovanni Carnevali vernehmen. Drei seiner Spieler vollbrachten am Montagvormittag den historischen Akt, den Post-Corona-Trainingsbetrieb in Italiens Profifußball wieder aufzunehmen. Sassuolo hatte auch das bislang letzte Match der Serie A bestritten, ein Geisterspiel am 9. März gegen Aufsteiger Brescia. Damals dabei war Mittelfeldakteur Filip Djuričić, in jungen Jahren in der niederländischen Eredivisie wegen seiner Kunstfertigkeit am Ball „Cruyff des Balkan“ genannt. Jetzt mutierte er zum „Stachanov der Serie A“ – aktiv im letzten Match überhaupt und auch Erster auf dem Trainingsplatz.
Dort hatten er und seine Kollegen jeweils eine Spielfeldhälfte ganz für ihr Sololauftraining. Bälle waren bei der vom Klub brav dokumentierten Session nicht zu sehen. Umgezogen hatten sich die Spieler bereits zu Hause. Videoreportagen à la Salomon Kalou bei der schrägen alten Tante Hertha waren bei dem solide geführten Mittelklasseverein aus der Emilia-Romagna auch nicht zu erwarten.
Verblüffenderweise stieg neben Sassuolo aber nur noch Aufsteiger Lecce am Montag ins Training ein. Vertreter der meisten Vereine hatten zwar empört reagiert, als Sportminister Vincenzo Spadafora zögerte, die Trainingserlaubnis für Einzelsportarten ab dem 4. Mai auch auf den Mannschaftssport auszudehnen. Dann überrumpelten den Fachminister aber die Gouverneure der Regionen Emilia-Romagna, Sardinien und Kampanien mit der Genehmigung für Klubs in ihrem Herrschaftsgebiet. Am Sonntag gab es dann grünes Licht für alle aus Rom.
Viele Vereine wirkten darauf aber schlecht vorbereitet. Acht Klubs gaben nicht einmal Terminplanungen für die Aufnahme des Trainings an. Andere, wie Inter Mailand, Lazio Rom und SSC Neapel, wollen den Kader erst komplett durchtesten und können frühestens Mittwoch mit dem Training beginnen. Bei Juventus wurden immerhin schon am Montag Abstrichtests bei den ersten fünf Profis unternommen. Unter ihnen befanden sich aber nicht die an Covid-19 erkrankten und inzwischen als geheilt geltenden Daniele Rugani und Blaise Matuidi.
Entgegen der Regierungsvorgaben
Ebenfalls nicht im medizinischen Komplex am Rande der Arena von Turin wurde Paulo Dybala gesichtet. Der Argentinier lieferte nach dem vierten Test noch ein positives Ergebnis. Am 21. März wurde bei ihm erstmals Covid-19 diagnostiziert. Er ist ein prominentes Beispiel für kompliziertere Krankheitsverläufe – und ein deutliches Warnsignal an jene, die zu forsch zum Alltag übergehen wollen. Von15 Serie A-Spielern, verteilt auf sechs Vereine, sind positive Tests bekannt.
Umstritten ist auch das medizinische Konzept zur Rückkehr. „Wir Ärzte sind von der Kommission des Verbands nicht angehört worden“, beschwerte sich Enrico Castellacci, früherer Mannschaftsarzt der Squadra Azzurra, gegenüber der Website sport_lab.it. Castellacci bemängelte vor allem, dass das Protokoll bei erneuten positiven Fällen nur eine Quarantäne des betroffenen Spielers selbst und keine Isolierung der Kontaktpersonen vorsieht. „Das steht im Widerspruch zu den Vorgaben der Regierung“, kritisierte er. Spätestens zur geplanten Aufnahme des Mannschaftstrainings ab 18. Mai sollte dies geklärt sein.
Gerade noch rechtzeitig für diesen Termin kehrte Cristiano Ronaldo aus Portugal zurück. Am späten Montagabend landete er in Turin und trat dort die obligatorische 14-tägige Quarantäne an. Zahlreiche weitere Profis weilen allerdings noch in Südamerika. Stand jetzt können sie sich mit der Rückkehr auch Zeit lassen. Die optimistischen Pläne mit der Aufnahme eines Spielbetriebs noch Ende Mai sind inzwischen Makulatur. Der Branchendienst tuttomercatoweb hält den 13. Juni für den frühestmöglichen Zeitpunkt eines Beginns.
In der nächsten Woche trifft sich der italienische Fußballverband zu Beratungen. Vorher noch wird ein Statement von Premierminister Conte zum Fußball erwartet. Die Tageszeitung Repubblica spekulierte, dass Conte sich am Beispiel Frankreichs orientieren und die Serie A für beendet erklären könnte.
Richtungsweisend dürfte auch die Coronakonferenz von Angela Merkel und den Ministerpräsidenten der einzelnen Bundesländer am Mittwoch sein. Dort ist der Bundesliga-Restart ein Thema. „Die Entscheidung in Berlin hat zweifellos Gewicht für die Zukunft der Serie A“, meinte die Turiner Zeitung La Stampa. Cristiano Ronaldos nächste Monate werden also auch in Berlin mitentschieden.
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