Kriselnder BVB in der Bundesliga: Und keiner hört zu
Borussia Dortmund verliert schon wieder ein Auswärtsspiel. Nach dem 1:2 in Augsburg zeigen sich Trainer, Sportdirektor und Spieler ratlos.
„Das ist absoluter Wahnsinn, wie wir hier Gegentore kassieren“, klagte Trainer Nuri Sahin über die Einladungen seiner Mannschaft für Augsburgs Doppeltorschützen Alexis Claude-Maurice. Zunächst durfte der Franzose bei seinem Startelfdebüt ungestört von Nico Schlotterbeck und Kollegen durchs Mittelfeld dribbeln und platziert abschließen. Später legte der eingewechselte Kapitän Emre Can mit einer missglückten Abwehraktion unfreiwillig perfekt für Claude-Maurice auf.
Sahin stellte nun einen Mangel an Bereitschaft fest: „Irgendwann geht es nicht mehr um Taktik: Es geht darum, dein Tor zu verteidigen. Es geht darum, den Willen zu zeigen, Zweikämpfe zu gewinnen, und da haben wir gerade Schwierigkeiten.“ Das erinnerte an manch eine Mentalitätsdebatte, die in Dortmund in den vergangenen Jahren geführt worden war. Er habe aber „nicht das Gefühl, dass die Mannschaft mich hängen lässt“, ergänzte Sahin, vielmehr sei sie im Moment „zu verkopft“. Man müsse wieder „mit Bauchgefühl Fußball spielen und nicht mit Kopfkino“.
Fehlender Zusammenhalt
Es wirkt gerade einiges herbstgrau beim BVB, und es klang auch nicht gerade beruhigend, dass der dienstälteste Dortmunder Profi Julian Brandt das Miteinander vermisst. Gleich mehrere Bilder des Durcheinanders entwarf der Mittelfeldspieler, der im sechsten Jahr für die Borussia kickt. Man müsse wieder „von ganz vorne anfangen“, bei den „Basics“, empfahl Brandt. Derzeit sei nach einem Rückstand „jeder mit sich selbst beschäftigt“, es fehle an Struktur und sei „vogelwild“ zugegangen.
Der 28-Jährige sagte: „Ein Tau ist zusammen leichter zu ziehen als alleine.“ Man müsste „synchron schwimmen“, aber das bekomme man nicht hin. Und noch eine Metapher wählte Brandt, um seinen begrenzten Einfluss zu erklären. Er sagte: „Du kannst als Führungsspieler versuchen, alle zusammenzubringen. Wenn aber ganz viele Spieler oder alle nicht bei der Sache sind, dann ist das wie beim Lehrer in der Unterrichtsklasse, wo alle nur sabbeln. Da hört keiner zu.“ Folgt man Brandts Beschleuniger der Debatten, geht es beim BVB gerade recht chaotisch zu. Vorsichtshalber ergänzte er: „Ich vertraue dem Trainer hundertprozentig.“
Der erneute Rückschlag in Augsburg wog umso schwerer, weil die Gäste durch Donyell Malens Führung in der vierten Minute perfekt gestartet waren. Drei Niederlagen hat der BVB nun in vier Auswärtsspielen eingefahren. Passiert sei das diesmal auch, weil man vorne „zu harmlos“ agiert habe, monierte Sportdirektor Sebastian Kehl.
„Wir werden erneut kritisch mit den Dingen umgehen“, sagte er. Anflüge einer Trainerdebatte versuchte er schon deshalb sofort abzuwehren, weil sie den 36 Jahre alten Sahin beim BVB zur Langzeitlösung erklärt haben, nachdem er im Sommer die Verantwortung von Edin Terzic übernommen hat.
Zumindest von außen richten sich die Blicke aber zunehmend auf Sahin, dem nach der 2:0-Pausenführung bei Real angelastet worden war, sich mit seinen Personal- und Taktikwechseln vercoacht zu haben. „Wir marschieren gemeinsam weiter und stehen komplett dahinter“, versicherte Kehl nun, das stehe „außer Frage“. Vielmehr wolle er „die Jungs daran erinnern, was sie selber an Anspruch formuliert haben“. Warum sie diesem auswärts in der Liga nicht gerecht werden, vermochte Kehl ebenso wenig zu erklären wie Sahin. Zumal der BVB zu Hause alle seine vier Ligaspiele gewonnen hat.
Schon am Dienstag sind die Dortmunder im DFB-Pokal erneut auswärts gefordert – in Wolfsburg. Erschwerend kommt hinzu, dass die Verteidiger Waldemar Anton und Julian Ryerson sowie Mittelfeldspieler Marcel Sabitzer angeschlagen ausgewechselt werden mussten. Auch Innenverteidiger Niklas Süle fehlt, er hatte sich bereits in Madrid verletzt. Zudem handelte sich der eingewechselte Linksverteidiger Almugera Kabar, 18, bei seinem Bundesligadebüt die gelb-rote Karte wegen wiederholten Foulspiels ein.
Auch das fügte sich ins aktuell trübe Auswärtsbild der Borussia.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern