Krise in der Ukraine: Verhandeln und drohen
Jetzt soll der ehemalige Staatspräsident Leonid Krawtschuk in der Ukraine vermitteln. Die Moskautreuen in der Ostukraine drohen mit einem härteren Militäreinsatz.
KIEW dpa | Nach dem ergebnislosen Auftakt der ukrainischen Friedensverhandlungen sollen die nächsten Gespräche im Osten des Landes abgehalten werden. In den kommenden Tagen wolle man in Donezk oder Charkow zusammenkommen, kündigte der frühere Präsident Leonid Krawtschuk (80) in Kiew an. Als möglichen Termin nannte Krawtschuk, das erste Staatsoberhaupt der unabhängigen Ukraine, den Samstag.
Am Mittwoch war das erste Treffen des Runden Tisches zur Krisenbewältigung vertagt worden. Krawtschuk und sein direkter Nachfolger im Amt des Staatspräsidenten, Leonid Kutschma, hatten die Gespräche moderiert. Die Separatisten waren nicht eingeladen gewesen.
Eineinhalb Wochen vor der ukrainischen Präsidentenwahl am 25. Mai verschärften die Aufständischen aus dem Osten des Landes den Ton. Vertreter der Aktivisten forderten die Kiewer Übergangsregierung ultimativ zum Abzug der Truppen auf. Die prorussischen Kräfte drohten mit einer Offensive, sollten sich die Sicherheitskräfte nicht zurückziehen. Die Regierung gab sich unbeeindruckt. Ungeachtet der jüngsten Friedensgespräche in Kiew lieferten sich Regierungskräfte und Separatisten neue Gefechte.
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen rief angesichts der „illegitimen und illegalen Aggression Russlands gegen die Ukraine“ zu verstärkter Solidarität innerhalb des Bündnisses auf. Moskau wird vorgeworfen, die Aufständischen im Süden und Osten der Ukraine zu unterstützen. Die Nato sorge für die Sicherheit ihrer Mitglieder, betonte Rasmussen am Donnerstag in Bratislava nach einem Treffen mit dem slowakischen Regierungschef Robert Fico.
Drohungen der Separatisten
Der Chef der moskautreuen „Selbstverteidigungskräfte“ im Gebiet Donezk gab der Regierung Zeit bis Donnerstagabend 20 Uhr (MESZ) zum Rückzug. „Sollten die Truppen nicht herausgeführt werden, können unsere Militärs sie dazu zwingen“, sagte Miroslaw Rudenko. Der selbst ernannte Bürgermeister der Stadt Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, warnte Kiew, sollten sich die Einheiten nicht binnen 24 Stunden zurückziehen, würden die Aktivisten „in die Offensive übergehen“. Offen blieb, wann dieses Ultimatum abläuft. Der ukrainische Interimspräsident Alexander Turtschinow wies die Drohungen zurück: „Die Operation läuft, bis die Kämpfer die Waffen gestreckt haben.“
Schauplätze der neuerlichen Kämpfe waren Medienberichten zufolge die Separatisten-Hochburgen Slawjansk und Kramatorsk. Wie ukrainische Medien berichteten, nahmen Spezialeinheiten in den Vororten beider Großstädte Stellungen der Aktivisten unter Beschuss.
Die prorussischen Separatisten hatten sich nach einem illegalen und international nicht anerkannten Referendum von der Ukraine losgesagt und ihre selbst ernannten „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk für unabhängig erklärt. Ein Sprecher des Außenministeriums in Moskau gab an, er wisse nichts von einem Beitrittswunsch der Regionen zu Russland nach dem Vorbild der Krim.
Seit Mitte April gehen Truppen der Regierung in einem sogenannten „Anti-Terror-Einsatz“ gegen die zum Großteil bewaffneten Kräfte vor, die Dutzende Verwaltungsgebäude besetzt halten. Die Generalstaatsanwaltschaft in Kiew räumte ein, die Zentralmacht habe die Kontrolle über zahlreiche Behörden in der Ostukraine verloren.
In Moskau bekräftigte Putin, Russland werde der Ukraine wegen seiner noch immer steigenden Schulden von Juni an Gas nur noch gegen Vorkasse liefern. Die EU rief er in einem Brief zu mehr Engagement in diesem Streit auf. Der Gazprom-Konzern droht wegen der Schulden damit, ab dem 3. Juni kein Gas mehr in die Ukraine zu pumpen. Dies könnte dann auch den Westen treffen, denn die vor dem Staatsbankrott stehende Ukraine ist das wichtige Transitland für russisches Gas.
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