Krise in Venezuela: Alleinherrschaft übernommen
Der Verfassungsgebenden Versammlung sind jetzt alle staatlichen Gewalten unterstellt. Aus dem Ausland kommt heftige Kritik.
Erstmals fand die Sitzung der Verfassungsgebenden Versammlung in dem halbmondförmigen Plenarsaal statt, der eigentlich der Nationalversammlung vorbehalten ist. Einheiten der Nationalgarde waren in Begleitung der VV-Präsidentin Delcy Rodriguez in der Nacht auf Dienstag in das Parlamentsgebäude eingedrungen und hatten es abgeriegelt. Seither wird den Abgeordneten der Nationalversammlung der Zugang verwehrt.
„Diese Regierung dringt in Räume ein, die sie nicht auf legitime Weise gewinnen kann“, twitterte der Fraktionschef der rechten Opposition, Stalin González, nachdem ihn Nationalgardisten am Betreten des Salón Elíptico gehindert hatten. Noch am Montag hatte die Nationalversammlung mit der Mehrheit der Opposition beschlossen, keine Entscheidungen der VV anzuerkennen.
Kritik aus dem Ausland
Außenpolitisch gerät Venezuela weiter unter Druck. Am Dienstag bekräftigen 17 amerikanische und karibische Staaten bei einem außerordentlichen Treffen in der peruanischen Hauptstadt Lima ihre Nichtanerkennung der Verfassungsgebenden Versammlung, darunter Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Mexiko und Kanada. In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten sie das Vorgehen von Präsident Nicolás Maduro, dem sie einen „Bruch der demokratischen Ordnung“ vorwarfen und solidarisierten sich mit der demokratisch gewählten Nationalversammlung. Die USA hatten keinen Vertreter zu dem Treffen entsandt.
Heftige Kritik kommt erstmals auch von den Vereinten Nationen. So seien seit April rund 5000 Menschen festgenommen worden, stellt das UN-Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht fest. Davon befänden sich 1000 noch immer in Haft. 124 Menschen seien bei gewaltsamen Protesten umgekommen. 46 von ihnen seien von Sicherheitskräften getötet worden, 27 von bewaffneten Gruppen auf Seiten der Regierung. Die übrigen Fälle seien nicht geklärt.
Prozesse fänden häufig vor Militärgerichten statt und nicht vor zivilen Strafkammern. In der Haft komme es zu Folter durch Stromstöße, Schläge mit Stöcken und Helmen, Todesdrohungen und in einigen Fällen zur Androhung sexueller Gewalt gegen die Inhaftierten oder ihre Familien. 135 Zeugenaussagen seien für den UN-Bericht ausgewertet worden. „Die Verantwortung für die Verletzungen der Menschenrechte tragen die obersten Ebenen der Regierung“, sagte der Hohe Kommissars für Menschenrechte, Seid al-Hussein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn