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Krise in GriechenlandParlament verabschiedet Sparpaket

Die Debatte war hitzig, jetzt ist das Gesetz durch. 15.000 griechische Staatsbedienstete werden entlassen. Pünktlich zum Besuch von Wolfang Schäuble.

Wütender Protest: Tausende Staatsbedienstete demonstrieren in der Nacht vor dem griechischen Parlament. Bild: dpa

ATHEN dpa | Erleichterung in Athen: Nach einer zum Teil stürmisch verlaufenen zweitägigen Debatte hat das griechische Parlament ein neues Sparpaket gebilligt. Darin enthalten ist auch ein Gesetz, das die Entlassung von 15 000 Staatsbediensteten ermöglicht. Der konservative Regierungschef Antonis Samaras und sein Vize, der Sozialist Evangelos Venizelos, können somit weiterregieren. Die Billigung der Gesetze mit 107 Artikeln war zugleich eine der Voraussetzungen für die Auszahlung der nächsten Kredittranche an Athen. Dabei geht es um insgesamt 6,8 Milliarden Euro, 2,5 davon bis Ende Juli.

Am späten Vormittag wurde Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu einem kurzen Arbeitsbesuch in Athen erwartet. Im Zentrum der Stadt wurden strenge Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Alle Demonstrationen rund um das Parlament und den Sitz des Regierungschefs wurden verboten.

„Das Gesetz ist trotz einiger leichter Verluste durch“, schrieb die konservative Zeitung Kathimerini zum Abstimmungsergebnis. Die linksliberale Athener Zeitung Eleftherotypia kommentierte am Donnerstag: „Die Drohung (Kein Ja - Kein Geld der Geldgeber) hat wieder gewirkt“.

Die Regierungskoalition hat eine knappe Mehrheit von fünf Abgeordneten im 300 Sitze zählenden Parlament. Die nötige Mehrheit wurde bei der nächtlichen Abstimmung in allen Artikeln erreicht. Insgesamt stimmten 293 Abgeordnete ab. Die Regierungskoalition soll mit dem Ergebnis zufrieden sein.

Demonstrationen im Zentrum Athens

Tausende Betroffene hatten in den vergangenen drei Tagen im Zentrum Athens gegen das Gesetz demonstriert. Vor allem Lehrer und Bedienstete der Kommunen stehen ganz oben auf der Liste der Staatsbediensteten, die entlassen werden sollen. Nach der Verkündung des Ergebnisses gingen rund 3000 Demonstranten friedlich, aber enttäuscht nach Hause, wie Augenzeugen berichteten. Sie hatten stundenlang vor dem Parlament gegen die Billigung des Gesetzes demonstriert.

Am Tag nach der Abstimmung wollte sich Schäuble mit Regierungschef Samaras und Finanzminister Ioannis Stournaras treffen. Im Mittelpunkt sollten die Fortschritte des Landes beim Spar- und Reformprogramm stehen. Die Bundesregierung will sich mit rund 100 Millionen Euro an einem Wachstumsfonds beteiligen, allerdings nur unter der Bedingung weiterer Reformanstrengungen, wie es aus deutschen Ministeriumskreisen hieß. Der Fonds soll günstige Kredite für kleine und mittelständische Betriebe ermöglichen, die wie in anderen südeuropäischen Krisenländern unter vergleichsweise hohen Zinsen leiden.

Die griechische Opposition hatte Schäuble in den vergangenen Monaten wiederholt scharf angegriffen. Vielen in dem Land gilt der CDU-Politiker als Sparkommissar und unerwünschte Person. Am Nachmittag war eine Demonstration gegen Schäuble an einem kleinen Platz in Athen geplant.

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3 Kommentare

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  • WW
    Werkmeister Wolfgang

    18.7.13 Sparen alleine hilft nicht. Im Gegenteil, es drückt die letzte Kraft aus den Adern der Griechen.Dass Griechenland vor dem nächsten Schuldenschnitt steht, ist im Raubeinkapitalismus unserer Tage für viele Experten nur noch eine Frage der Zeit. Viel Geld ist in die Rettung der dortigen Banken geflossen. Doch wer denkt an jene Schalthebel in der Wirtschaft, die Wertschöpfung produzieren und Arbeitsplätze schaffen? Der Abbau im öffentlichen Dienst muss sein. Doch bitte auf sozialer Schiene. Wer ein Land totsparen will, weiht es dem Untergang. Helfen wird, wer Wettbewerbsfähigkeit schafft. Dazu gehört, über ein vorübergehendes Ausscheren aus dem Euro nachzudenken. Die Finanzkrise ist noch lange nicht gegessen. An den Börsen steht ein heißer Herbst ins Haus.

  • KM
    Karl Marx

    Natürlich bekommen aus dem Wachstumsfond die 600.000 Angestellten, die seit Monaten auf ihre Löhne warten, keinen Pfennig.

    Was ist eigentlich aus den 10 MRD. aus EU-Strukturfonds geworden, die bis Ende 2013 beantragt werden müssen, damit sie nicht verfallen?

    Damit könnte man eine autarke Wirtschaft aufbauen, komplett ohne den ganzen Import Export Schwachsinn, aber das wollen Kapitalisten ja nicht.

  • RS
    Reinhold Schramm

    Das kapitalistische Gesellschaftssystem - auch - in Griechenland beseitigen!

     

    Die werktätige Bevölkerung in Griechenland, ebenso wie in Spanien, Großbritannien, Frankreich und Deutschland, muss sich ihre -- im sozialökonomischen und gesellschaftspolitischen Kapitalinteresse der europäischen Finanz- und Monopolbourgeoisie -- andressierten sozialdemokratischen Illusionen über den Konsum-Kapitalismus abschminken! - Vor allem die europäische Jugend, bei einer Jugendarbeitslosigkeit von bis zu 60 Prozent in Griechenland und Spanien.

     

    Die Aufhebung des europäischen Privateigentums wird dann zu einer Notwendigkeit, wenn die sich entwickelnden Produktivkräfte der kapitalistischen Gesellschaft den engen Rahmen der auf dem Privateigentum beruhenden Verhältnisse sprengen.

     

    Der Kapitalist und Revolutionär Friedrich Engels bemerkte bereits im 19. Jahrhundert hierzu:

     

    "Weil die große Industrie, die Entwicklung der Maschinerie, der Kommunikationen, des Welthandels so riesenhafte Dimensionen annimmt, dass ihre Ausbeutung durch vereinzelte Kapitalisten täglich unmöglicher wird; weil die steigenden Weltmarktkrisen der schlagendste Beweis davon sind; weil die Produktivkräfte und Verkehrsmittel der jetzigen Weise der Produktion und des Verkehrs, dem individuellen Austausch und dem Privateigentum täglich mehr über den Kopf wachsen: weil, mit einem Worte, der Zeitpunkt herannaht, wo der gemeinsame Betrieb der Industrie, des Ackerbaus, des Austausches eine materielle Notwendigkeit für die Industrie, den Ackerbau und den Austausch selbst wird, deswegen wird das Privateigentum abgeschafft werden." (MEW, Bd. 4.)