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Krise im NachtlebenSo schlecht geht es den Berliner Clubs

Umsatz und Gewinn der Clubs brechen im ersten Halbjahr 2024 um mehr als die Hälfte ein. Betreiber fürchten um die Diversität der Szene.

Zeit, dass sich was dreht Foto: dpa

Berlin taz | Eine neue Befragung der Clubcommission unter Berliner Clubs kommt zu dramatischen Ergebnissen. Demnach beträgt der Umsatzeinbruch der Clubs im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 55 Prozent, der Gewinn reduzierte sich gar um 61 Prozent. Diese Zahlen präsentierte Marcel Weber, Vorstandsvorsitzender des Club-Verbandes, am Montagnachmittag bei einer Anhörung im Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Energie des Berliner Abgeordnetenhauses.

Im Gespräch mit der taz sagte Weber zudem: „Die Hälfte der befragten Clubs wissen nicht, ob sie ihren Betrieb fortsetzen können.“ An der Umfrage teilgenommen hätten vor allem viele kleinere Clubbetriebe, denen es derzeit besonders schlecht gehe. Die Ergebnisse spiegelten aber die generelle Lage wider, die sich zuletzt bereits angesichts der bevorstehenden Schließungen der Clubs Renate und Watergate ankündigten, so Weber.

Im Ausschuss nannten Weber und die Betreiberin des Gretchen, Pamela Schobeß, die extrem gestiegenen Kosten etwa im Produktionsbereich, für Energie und Mieten, aber auch bei den Lohnkosten, etwa für freie Techniker. Dem gegenüber stünde ein verändertes Gästeverhalten. Nachdem es 2023 noch Nachholeffekte nach der Corona-Pause gegeben habe, würden mittlerweile die allgemein gestiegenen Lebenshaltungskosten voll durchschlagen. Auch die teilweise verdoppelten Preise für große Konzerte würden bei den Be­su­che­r:in­nen kaum noch Geld für Clubs übrig lassen, so Schobeß.

Ein negativer Effekt hätte sich laut Weber zudem durch die Fußball-Europameisterschaft bemerkbar gemacht. Reisen nach Berlin und Unterkünfte in der Stadt seien in dieser Zeit besonders teuer gewesen. Während potenzielle Club-Tourist:innen der Stadt fernblieben, hätten sich die Fußballfans nicht für die Clubs interessiert.

Einheitsbrei als Folge

Laut Schobeß hätten viele Clubs bereits damit begonnen, ihr Programm zu verändern und etwa auf Veranstaltungen mit Nachwuchs-Künstler:innen oder in Nischen-Genres zu verzichten. „Die Diversität leidet extrem“, so ihr Fazit. Die Befürchtung: „Wir rennen in eine Art Einheitsbrei. Dann ist Berlin nicht mehr so bunt, wie es mal war.“

In der Anhörung plädierten Weber und Schobeß für eine gezielte Unterstützung der Clubs durch die Politik. So müsse man etwa über Produktionskostenhilfe reden. „Wenn wir die Vielfalt erhalten wollen, geht es nur mit einer Förderung“, so Schobeß. Diese müsse „nicht ewig sein, nicht mit der Gießkanne“, aber gezielt. Doch von Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) kam eine Absage. Angesichts der aktuellen Haushaltslage sehe sie derzeit „kein zusätzliches Programm“.

Wichtig sei dagegen, bestehende Dinge weiterzuführen, etwa das Schallschutzprogramm, mit dem in den vergangenen sechs Jahren 46 Clubs mit insgesamt 2,6 Millionen Euro gefördert worden seien. Auch Weber hofft zumindest darauf, dass die bestehenden Programme weiter finanziert würden. Zudem könnten Investitionstöpfe etwa für energetische Sanierungen oder smarte Gebäudetechnik auch für Clubs geöffnet werden.

Im Juni hatte Giffey in Zusammenarbeit mit der Clubcommission eine Nachtökonomie-Strategie vorgestellt mit insgesamt 30 Handlungsempfehlungen, um das Bestehen der einzigartigen Berliner Clublandschaft zu sichern. Geld gebe es zwar keines, aber einige der Punkte seien dennoch seitdem in Angriff genommen worden, so Weber. So habe sich inzwischen das Expertengremium Forum Nachtökonomie gegründet, es gebe eine Ansprechperson für Clubbelange bei der BVG, zudem seien die Clubs Teil der sogenannten Zentrengipfel der Wirtschaftsverwaltung, damit sie bei der Entwicklung von neuen Flächen und Quartieren berücksichtigt werden.

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