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Krise der Printmedien„Die Zeitung wird zur Vinyl-Platte“

Der Medienforscher Lutz Hachmeister über die Insolvenz der „Frankfurter Rundschau“. Die Chance der Printmedien: in gehobenen Nischen zu überleben.

„Als Mitspieler im wahrnehmbaren Pressemarkt ist die FR seit längerem tot.“ Bild: dapd
Ilka Kreutzträger
Interview von Ilka Kreutzträger

taz: Herr Hachmeister, mit der Frankfurter Rundschau hat die erste überregionale Tageszeitung in Deutschland Insolvenz angemeldet. Die Financial Times Deutschland ist in Gefahr. Müssen wir jetzt bald alle sterben?

Lutz Hachmeister: Ich fürchte eher, dass die gedruckte Zeitung gerade in den Status der Vinyl-Schallplatte übergeht. Zumindest die Tagespresse, ob mit oder ohne FR.

So als Liebhaber-Stück?

Ja. Allerdings wurde noch nie so viel geschrieben und gelesen wie jetzt – und nicht nur diese emotionalen individuellen Aufwallungen. Das Übermedium Internet multipliziert die ganz alten digitalen Zeichen: das griechische Alphabet. Ganz unabhängig vom Überleben einzelner Titel.

Die FR hat am Ende also keiner mehr liebgehabt?

Die Rundschau war das Blatt, das ich Ende der 70er Jahre als Student gelesen habe. Wir lasen die Rundschau, weil sie linksliberal war und eine gute Kinoberichterstattung hatte. Den grünen Streifen auf der Titelseite nannten wir den „Intellektuellenbalken“. Auf keinen Fall las man als Publizistikstudent die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die schlicht als reaktionär galt.

Bild: dpa
Im Interview: Lutz Hachmeister

Der 53-jährige Kommunikationswissenschaftler und Journalistikdozent an der Uni Dortmund gründete 2005 das Berliner Institut für Medien- und Kommunikationspolitik. Vorher war er u. a. Redakteur beim Tagesspiegel und bei der SZ, leitete das Grimme-Institut in Marl und war Juryvorsitzender des Deutschen Fernsehpreises.

Sie lesen die FR heute nicht mehr?

Im Grunde nicht mehr, seit es die taz gibt. Das war der entscheidende Einschnitt, ein Struktur- und Stilwandel im linken Spektrum. Die FR hat dann eine journalistische Modernisierung versäumt, ist in das Image des biederen, sozialdemokratischen Hausblattes abgerutscht. Da ging überregional die Klientel verloren. Dagegen hat die FAZ experimentiert und sich auch politisch geöffnet. Verblüffend.

Das hat die FR beispielsweise mit dem kleineren Format auch versucht.

Versucht, ja. Und der App-Auftritt war sogar sehr modern.

Ist. Die leben doch noch.

Stimmt, ist modern. Aber die Marke ist negativ konnotiert und könnte höchstens noch als ideelles Projekt im Internet überwintern. Als Mitspieler im wahrnehmbaren Pressemarkt ist die FR seit längerem tot.

Sind nicht auch Leser schuld, die alles kostenlos wollen?

Natürlich sind alle Tageszeitungen durch die Konkurrenz des Internets in ihrem Geschäftsmodell strukturell bedroht, aber bei der FR hatte man nicht mehr das Gefühl, dass das Blatt überregional ernst genommen wurde, obwohl es an den Kiosken lag. Es fällt auch auf, wie selten man Leute trifft, die sagen, hast du den und den Artikel in der Rundschau gelesen? Schöpferische Konkurrenz auch im Medienkapitalismus, bitter, aber wahr.

Die Reaktion auf sterbende Zeitungen ist im Netz teilweise recht hämisch. Wie erklären Sie sich das?

Da tritt eine neue Generation an, die für sich einen Raum beansprucht und auch eine symbolische Konfrontation betreibt. Für die ist die Papierzeitung einfach alt. Das ist ein Statuskrieg mithilfe des technologischen Wandels.

Aber muss es auf „Die Stadt ist zu klein für uns beide“ hinauslaufen?

Es gibt ja eine sehr charmante These von Bodo Hombach, aus seiner Zeit als Manager bei der WAZ-Mediengruppe. Danach kann die Zeitung als Luxusprodukt so überleben wie die sehr teuren analogen Schweizer Uhren. Wenn es gelingt, die gedruckte Zeitung unentbehrlich zu machen und dafür mehr zu kassieren, kann das auch funktionieren. Es wird aber wohl für Recherchejournalismus indirekte öffentliche Subventionen geben müssen. Die Gesellschaft muss das wollen.

Warum sollte sie das wollen?

Eine der größten Errungenschaften der bürgerlichen Aufklärung ist der Journalismus, der sich durch redaktionelle Kommunikation stimuliert und gegenseitig überprüft. Ich sehe nicht, wieso man das nicht erhalten sollte. Genau hier ist ja der Unterschied zu dem, der allein durchs Netz surft und dann einen Blogeintrag fabriziert.

Wieso gelingt es dann nicht, der bürgerlichen Gesellschaft ihre größte Errungenschaft als ebendiese zu vermitteln?

Den Verlegerverbänden gelingt es jedenfalls nicht und auch nicht dem Bundesbeauftragten für Medien und Kultur mit seiner Initiative „Nationale Printmedien“ – das wirkt alles wie aus dem letzten Jahrhundert.

Müssten die Zeitungen das nicht auch alleine schaffen?

Das passiert ja, die Auflagen der SZ oder der FAZ sind nicht schlecht. Auch manches Regionalblatt steht ganz gut da. Die gedruckte Zeitung wird in der gehobenen Nische länger überleben, als manche prognostizieren. Aber sie muss einen publizistischen Mehrwert haben. Das gilt auch für das etablierte Fernsehen. Wenn es an Formaten, Recherche und Ästhetik nicht deutlicher über das hinauskommt, was im Internet ohnehin direkt zu haben ist, kann man seinem Verschwinden zusehen.

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7 Kommentare

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  • N
    neubau

    Das hättet ihr nicht gedacht, liebe taz, dass ihr auf lange Sicht die FR fressen könntet, oder?

     

    Letzten Endes war das für mich der interessanteste Aspekt des Interviews: "...nicht mehr, seit es die taz gibt."

     

    Konkurrenz belebt eben nicht immer das Geschäft - und bei euch sind zwar viele, aber nicht ganz so viele sprachliche Fehler wie in der FR enthalten. Vielleicht liegt's nämlich auch noch an der unterirdischen Qualität, die von Jahr zu Jahr in der FR auch noch abnahm!

  • Y
    Yadgar

    ...und die Kommentatoren in den Onlineausgaben (nicht nur auf Welt Online) beklagen sich, dass gedruckte Zeitungen heutzutage viel zu pro-Israel, pro-Multikulti, pro-EU, mit einem Wort, einfach nicht rrrrrrrrechts genug, sondern stattdessen linksgrüngutmenschlichislamofaschistisch gleichgeschaltet... es ist nicht zu fassen!

  • C
    Chacmool

    Die alte Weisheit: "Das Bessere ist des Guten Tod." wird offensichtlich hier ad absurdum geführt. Die Generation ´Über 40` ist mit Buchstaben auf Papier groß geworden. Längere und schwierigere Texte auf dem Bildschirm sind für sie nicht zu lesen. Und der Großteil der Jüngeren will solche Texte nicht lesen. Und da spielt es keine Rolle, wie das Printmedium heißt. Erst ab und unterhalb des "BILD"-Niveaus wird gelesen. Die Sätze sind kurz, fett gedruckt und brüllend.

    Die unsortierte und schlecht geschriebene Informationsflut des Internets ist für mich jedenfalls schon lange ermüdend. Es lebe "DIE ZEIT".

  • EH
    Eddy Horn

    Naja, der Fortschritt lässt sich halt nicht aufhalten. Online-medien sind eben bequemer. Die Pferdekutsche wurde auch irgendwann vom Auto abgelöst.

  • FK
    Fred K'heimer

    Tja, wer wie ein Opfer denkt hat schon verloren: Es sind nicht die Leser die die ach so armen Zeitungen dazu gepresst haben, Inhalte kostenlos abzugeben! Die Zeitungen haben geglaubt, irgendwie einen besseren Schnitt zu machen, wenn sie eine Online-Ausgabe ins Netz stellen.

    Offensichtlich war das eine Fehleinschätzung. Die damit generierte Werbeeinnahmen waren dann doch nicht so üppig. Die Erfolgreichen haben ja schon gegengesteuert. Hat ja teilweise auch lange genug gedauert bis die Online-Redaktion mit der Print-Redaktion zusammengelegt wurde. Doppelarbeit kostet Geld.

     

    Wie der Markt zeigt, gibt es ja durchaus noch erfolgreiche Zeitungen. Tja, die machen dann wohl etwas richtig.

     

    Wer Probleme mit seiner GuV (Gewqinn- und Verlustrechnung) hat, muß eben die Kosten durchleuchten (Vielleicht hilft es ja, sich noch öfter "einladen" zu lassen? Oder die Leasingraten der Firmenfahrzeuge für Führungskräfte sind zu teuer? Wenn man sowieso nicht rausgeht, dann kann das Redaktionsbüro eigentlich auch in Rumänien sein. Dort ist es wesentlich billiger und die Telefonleitungen funktionieren)und sich zudem überlegen, warum die Erlöse nicht stimmen. Und da hilft es dann nicht, die Leser zu beschimpfen. Eine Regel der erfolgenreichen Verkäufer lautet: Du mußt das verkaufen, was die Leute wollen und nicht das was du gerne verkaufen willst.

     

    Der Verkauf von Zeitungen ist grundsätzlich nicht anders, als der von Bananen. Beides Artikel mit einem kurzen Verfallsdatum. Der Verkaufserfolg hängt davon ab, daß der ganze Laden an einem Strang zieht. Und wie schon des öfteren festgestellt, haben ofensichtlich die meisten Redakteure ein Problem mit Geld, sei es das eigene, das der Firma oder das des Staates. Man geht dem Thema Geldausgeben aus dem Weg. Und so werden die Finanzprobleme eben verdrängt, bis es scheppert.

     

    Bei der FR hat man auch zu lange den Kopf in den Sand gesteckt. Wundert ja nicht, denn die SPD als 40%-Anteilseiger hat ja immer schon ein Problem mit Geld. Wenn man denn da nur annähernd so geschickt wäre, als beim Ausgeben der Gelder die man zuvor dem Steuerzahler abgepresst hat.

     

    Also, nicht schon wieder Geschichtsverfälschung betreiben. Wer nicht richtig wirtschaften kann ist kein Opfer, sondern nur unfähig.

  • H
    Hanseat66

    Der Kommunikationswissenschaftler hat keine Ahnung. Meine Kinder lesen keine Zeitung weil sie Papier mit Schule/Lernen/Oberlehrerhaftigkeit assoziieren. Papier ist für sie das Gegenteil von Spaß und Information. Papier ist elende Langeweile. Ich kanns verstehen.

     

    ich persönlich kaufe keine Papierzeitung weil der Informationsgehalt in keinem Verhältnis zum Preis steht. Alte Vinylplatten kann man übrigens noch gebrauchen. Alte Zeitungen nicht.

  • L
    Leserin

    Als im Dezember 2008 die griechische Jugend wochenlang revoltierte war die FR eine der ganz wenigen ausländischen Zeitungen, deren Infos nicht komplett erstunken und erlogene Agenturmeldungen waren, die eh nur die Polizeihetze wiederkäuten.

    Da fragt man sich doch, ob sich Lügen besser verkaufen und Lügen sind scheinbar teuer, das sieht man ja am Propagandaministerium, daß seine Lügenbarone mit GEZ-Gebühren finanziert.

    Journalisten wollen heutzutage nicht mehr investigativ sein, sondern Porsche fahren.

    In Griechenland übrigens erlebt die Zeitung ein echtes nostalgisches Revival, weil das Klopapier mehr als doppelt so teuer ist wie in Europa.