Krise der Industrie: Deutschland stellt viel weniger Stahl her
Die Produktion des Werkstoffs ist im ersten Halbjahr 2025 im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen. Die Branche fordert Hilfe der Politik.

Sie sieht den Rückgang der Rohstahlproduktion auf das Niveau der Finanzkrise 2009 vor allem in zu hohen Energiekosten begründet, außerdem in der schwachen Inlandsnachfrage und handelspolitischen Schwächen. Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) hatte kürzlich bereits einen Stahlgipfel mit der Branche gefordert, um deren Zukunft zu sichern – Stichwort grüner Stahl.
Denn herkömmlicher Stahl ist klimaschädlich. CO2-Emissionen entstehen durch den hohen und vor allem fossilen Energieverbrauch, aber auch im chemischen Prozess. Das soll sich ändern durch eine Umstellung auf wasserstoffbasierte Verfahren.
Doch damit läuft es schleppend. Das Unternehmen ArcelorMittal hat dem sogar kürzlich eine Absage erteilt. Gleichzeitig gab der Stahlproduzent bekannt, dass er das Erreichen der CO2-Reduktionsziele bis 2030 in der Branche zunehmend unrealistisch finde. Auch hier die Klage: Zu hohe Kosten für neue Anlagen, für Energie und für den raren Wasserstoff bei zu billiger Konkurrenz, die nicht auf Grün umstellt.
Schienenverkehr als Stahl-Rettung
Zustimmen kann da auch die IG Metall: „Wegen der Billigkonkurrenz aus dem Ausland und der schwächelnden Automobilbranche als wichtigem Abnehmer steht die Stahlindustrie seit Jahren unter Druck“, sagt Gewerkschaftssprecher Artur Siemens.
Deshalb fordere auch Gewerkschaft, dass der angekündigte Industriestrompreis nicht auf die lange Bank geschoben werde. Ausdrücklich begrüße die IG Metall die auch von der Wirtschaftsvereinigung Stahl geforderte Nachfolgeregelung für die sogenannten Safeguard-Maßnahmen der Europäischen Union.
Die EU hatte diese im Februar 2019 eingeführt, um die Wirtschaft vor Importüberschüssen zu schützen. Bei Überschreitung festgelegter Kontingente greifen Zölle. Bis Mitte 2026 gilt diese Regelung noch.
Nicht nur für Autos braucht man Stahl, sondern auch für klimafreundliche Mobilität: Neue Schienen erfordern große Mengen des Werkstoffs. Die Eisenbahn-Lobby wirbt dafür, dass die Politik das Ausnutzen solle, um den grünen Stahl voranzubringen.
„Die Schiene ist prädestiniert, grünem Stahl in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen“, heißt es bei der Allianz pro Schiene auf Anfrage der taz. Um den Wirtschaftsstandort zu sichern, müsse der Bund als Eigentümer der Bahn dieser erlauben, teureren grünen Stahl für Bauprojekte auszuschreiben. Leider, so der Verein, komme der Schienenbau in den Haushaltsplänen der Bundesregierung noch zu kurz.
Zudem gibt die IG Metall zu bedenken, dass das Investitionspaket für Infrastruktur zwar das richtige Signal sende. Nun brauche es aber „kluge Regelungen“, sagt Sprecher Siemens, „damit die heimische Stahlindustrie zum Beispiel beim Schienenausbau fair berücksichtigt wird.“ Er stellt sich darunter sogenannte Local-Content-Vorgaben vor, also die Bevorzugung regionaler Anbieter.
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