Krise der Demokratie in Bangladesch: Eine sehr einseitige Wahl

Die Parlamentswahlen am Sonntag gleichen einer Inszenierung. Der 76-jährigen Premierministerin Sheikh Hasina ist eine weitere Amtszeit schon sicher.

Ein Mann hält ein Wahlplakat in die Höhe.

Ein studentischer Anhänger von Premierministerin Sheikh Hasina Foto: Mohammad Ponir Hossain/reuters

MUMBAI taz | Die Sicherheitskräfte für die Parlamentswahlen am Sonntag sind in Bangladesch bereits ausgerückt. Denn es könnte erneut zu gewalttätigen Unruhen kommen: Die oppositionelle Nationalpartei (BNP) hat am Donnerstag zu einem zweitägigien landesweiten Streik an den letzten beiden Tagen vor der Wahl aufgerufen.

Denn es ist längst klar, wer zum vierten Mal in Folge Regierungschefin werden wird: die 76-jährige Sheikh Hasina von der Awami-Liga (AL). Sie tourte zuletzt selbstbewusst durch das 170 Millionen Einwohner zählende südasiatische Land. „Wir werden bei den Wahlen am 7. Januar erfolgreich und das Volk der Sieger sein“, sagte sie bei einer Veranstaltung.

Die Vereinten Nationen kündigten inzwischen an, den Wahlprozess genau zu beobachten. „Wir hoffen, dass alle Wahlen transparent und organisiert ablaufen“, sagte eine Sprecherin.

Die Wahlbeobachtermission der EU wurde jedoch abgesagt, da die „notwendigen Voraussetzungen“ fehlten. Dies war auch schon bei den Parlamentswahlen 2018 und 2014 der Fall, berichtet der EU-Botschafter in Dhaka, Charles Whiteley.

Die Wähler der Opposition muss Hasina nicht fürchten. Nach mutmaßlichen Schikanen und Verhaftungen rief die BNP wegen des repressiven Umfelds zum Wahlboykott auf – bereits zum dritten Mal seit 2014.

Tausende Oppositionelle in Haft

Berichten zufolge sind in den letzten Monaten tausende Oppositionelle inhaftiert worden. Mindestens neun BNP-Mitglieder sollen inzwischen in Polizeigewahrsam verstorben sein.

Der BNP-Politiker Tarique Rahman sprach vom Londoner Exil aus von einer „Scheinwahl mit vorherbestimmten Ausgang“. Er schrieb auf X: „Ich rufe jeden Demokratiebefürworter auf, mit der derzeitigen illegalen Regierung nicht zusammenzuarbeiten.“

Seine Mutter, die frühere Regierungschefin Khaleda Zia (78), war einst Sheikh Hasinas Hauptrivalin. Doch seit Jahren steht sie wegen Korruptionsvorwürfen unter Hausarrest und ist inzwischen schwer erkrankt.

Bis 2009 hatten sich BNP und Awami-Liga an der Regierung abgewechselt. Die beiden Führerinnen und ihre Familien verbindet eine langjährige Feindschaft.

Hasina lehnt eine einst übliche Übergangsregierung ab

Zum Jahresende hatte die BNP erneut vergebens versucht, Hasina zum Rücktritt zu bewegen. Die Partei fordert, dass wie zu früheren Zeiten eine Übergangsregierung von Technokraten die Wahlen vorbereiten müsse. Die Regierung lehnte entschieden ab.

Doch in dem muslimisch geprägten Land wächst die Unzufriedenheit. Steigende Preise für Lebensmittel und zur Befriedigung der täglichen Grundbedürfnisse setzen der ärmeren Bevölkerungsmehrheit zu.

Textilarbeitende gingen für höhere Löhne auf die Straße, bis sie gestoppt wurden. Die vier Mil­lio­nen Beschäftigten im Textilsektor sind der Motor der Wirtschaft, die stark von Kleidungsexporten abhängig ist.

Hasina hat im Ausland ein positives Image

Doch Hasina stößt im Ausland auf positive Resonanz. Seit ihrer zweiten Amtszeit, die 2009 begann, hat sich das Land wirtschaftlich weiter entwickelt. Auch Frauen wurden gefördert.

Die Aufnahme von einer Million Rohingya-Flüchtlinge aus Myanmar brachte ihr den Beinamen „Mutter der Menschlichkeit“ ein. Doch Der Schein trügt.

Bangladesch gilt seit Jahren als „Wahl­autokratie“. Politikwissenschaftlter wie Ali Riaz schließen nicht aus, dass sich die politische Ordnung nach dieser Wahl zu einem Einparteiensystem entwickelt.

Zwar will die Awami-Liga ihre Sitze mit einer kleineren Partei teilen. Doch es sei klar, dass es sich um autokratische Wahlen handelt, sagt die Bangladesch-Expertin Jasmin Lorch vom German Institute of Development and Sustainability (Idos) in Bonn. Die Wahlen dienten jetzt dazu, die bestehenden Machtstrukturen der Regierung neu zu ordnen und nach außen zu legitimieren. Gefährlich könnte der Awami-Liga derzeit nur viel eine zu niedrige Wahlbeteiligung werden. „Rhetorisch wendet sich Hasina bisweilen entschieden gegen den Einfluss der USA und des Westens“, sagt Lorch.

Dhakas neue Kurs: Mehr China, weniger USA

Die USA hatten zuvor Visabeschränkungen für Personen erlassen, „die den demokratischen Wahlprozess in Bangladesch untergraben“. Zugleich nähert sich Hasina weiter China an. Dabei lebt ihr eigener Sohn Sajeeb Wazed in den USA.

Lorch weist gegenüber der taz auch auf die Rolle von Bangla­deschs Militär hin. Sollte die Gewalt zwischen den politischen Blöcken weiter eskalieren, könnten die Generäle intervenieren. Das Militär, das einst die BNP stützte, hat inzwischen „über drei Legislaturperioden hinweg gute Beziehungen zur Awami-Liga entwickelt“, sagt Lorch. Ohne Rücken­deckung des Militärs wäre die Liga wohl nicht mehr an der Macht.

Den einseitigen Wahlprozess hat auch der Rückzug der BNP und ihrer islamistischen Verbündeten möglich gemacht. Diese Wahlen werden jetzt Hasina die absolute Macht verleihen, sagte der politische Analyst Nazmul Ahsan Kalimullah dem Nachrichtenportal BenarNews. Demokratische Kontrollmechanismen und die Gewaltenteilung würden endgültig zerbröckeln, fürchtet er.

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