Krise beim FC Bayern: Hineinschlingern in die Zukunft
Nach der Entlassung von Coach Niko Kovač steht der FC Bayern München vor einer ganzen Reihe von Herausforderungen.
K leines Ratespiel: Was passiert wohl mit einem Bayern-Trainer, der 1:5 gegen ein Team aus Hessen verliert; einem Coach, dessen Mannschaft vorher schon wenig ansehnlich kickte und der ebenjene Fans der Hessen denen der eigenen Mannschaft vorzieht; der der Beschimpfung des eigenen Publikums eine verbale Demontage der Vereinsikone Thomas Müller („Wenn Not am Mann sein sollte, wird er mit Sicherheit auch seine Minuten bekommen“) vorausschickt und der schließlich vielsagend andeutet, er könnte sich stundenlang über die Probleme in der Kabine und auf dem Platz auslassen?
Dieser Mann, Niko Kovač, wird natürlich entlassen. Ein Trainer beim FC Bayern, siehe Louis van Gaal, kann es bisweilen weit treiben und sogar den Vereinspatron Uli Hoeneß vor laufender Kamera zum Narren halten, aber er muss dabei erfolgreich sein. Fehlen die Siege, springt das übliche Räderwerk an und die Kündigung ist schneller geschrieben als ein Zweizeiler.
Verwirrung am Sonntag
Gestern Abend, als sich die Nation über den Tatort beugte, wurde Kovač entlassen, nachdem Stunden vorher eine Eilmeldung über die Ticker in die Redaktionen flatterte, in der es hieß, der FC Bayern wolle an Kovač festhalten. „Wie Sport Bild, Bild und tz am Sonntag berichten, sitzt Kovač auch am Mittwoch in der Champions League gegen Olympiakos Piräus auf der Bank“, übermittelte dpa den boulevardesken Konsens.
So unglaubwürdig war die Meldung nicht mal, weil Kovač in Uli Hoeneß stets den größten Fürsprecher im Verein hatte und der ja, also Hoeneß, noch zwei Wochen als Präsident amtiert, bevor er in den Ruhestand geht. Mindestens so lang schien es möglich, dass Kovač noch eine Galgenfrist eingeräumt wird. Und hatte er nicht auch die Krise im vergangenen Herbst recht bravourös gemeistert und das Team zum Double geführt?
Gehandelt werden nun verschiedene Namen. Unter den Topkandidaten befinden sich der Holländer Erik ten Hag (Ajax Amsterdam) und der Italiener Massimiliano Allegri (zuletzt Juventus Turin). Vorerst übernimmt aber erst einmal Assistenztrainer Hansi Flick. Er wird den Platz warm halten für seinen Nachfolger, der alsbald an die Säbener Straße kommen dürfte. Es geht in der Kovač-Nachfolge vor allem darum, die Mannschaft wieder zu revitalisieren, sie mit den Ambitionen und dem Gestaltungswillen des Trainer zu verschmelzen – vor allem aber die Defizite in der Abwehr zu beheben.
Suche nach Beständigkeit
Noch stehen die Chancen für die Bayern nicht so schlecht, die Meisterschaft zu gewinnen. In der Saison 2009/10 hatten sie am 10. Spieltag auch nur 18 Punkte zu Buche stehen, und am Ende stemmten die Roten die Meisterschale. Ihnen könnte entgegen kommen, dass die Liga überraschend ausgeglichen ist. Mönchengladbach hat sich zwar ein wenig abgesetzt, aber dahinter suchen alle nach Beständigkeit.
Ob die Bayern oben mitmischen können, ist auch bei Wundertaten des neuen Trainers fraglich, weil die Münchner eben nicht mehr jene vor Selbstbewusstsein strotzende Elf sind, die Gegner in Angst und Schrecken versetzen. Auffällig gut gespielt hat zuletzt nur Robert Lewandowski, der sich aber demnächst einer Leisten-OP wird unterziehen müssen.
Sportdirektor Hasan Salihamidžić hat neben kommunikativen Defiziten eine erratische Transferpolitik zu verantworten, generell steht der Klub vor einem Umbau. Hoeneß geht, Oliver Kahn (Vorstand) und Herbert Hainer (Präsident) kommen. Der Liga würde es sicherlich guttun, wenn sich der Dauermeister neu sammeln müsste.
So könnte das Ende der Ära Kovač der Beginn eines produktiven Schlingerkurses werden.
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