Krise bei "Le Monde": Verkaufschance als Erpressung

Der Chefredakteur der französischen "Le Monde" wechselt das Lager und möchte das kriselnde Blatt retten. Der Aufsichtsrat lässt ihn nicht.

Defizit von 10 Millionen Euro in 2007: Tageszeitung "Le Monde" im Netz Bild: Screenshot www.lemeonde.fr

PARIS taz "Wohin steuert Le Monde?", fragt die Libération besorgt und vergleicht ihr Pariser Konkurrenzblatt mit "einem Schiff, das ohne Kompass segelt und in widrigen Winden durchgeschüttelt wird". Denn um die Zukunft von Le Monde ist ein Machtkampf zwischen den Aktionären und der Vereinigung der Redaktionsmitglieder (SRM) entbrannt.

Das dreiköpfige Direktorium der Pariser Tageszeitung, erst 2007 angetreten, um das angeschlagene Blatt zu sanieren, war im Dezember geschlossen zurückgetreten. Der scheidende Aufsichtsratschef Alain Minc möchte die finanziell angeschlagene Pariser Zeitung an die Mediengruppen Lagardère und Prisa verkaufen.

Der Chefredakteur von Le Monde, Eric Fottorino, möchte nun auch Vorsitzender der Direktion werden, um so mit Unterstützung der Zeitungsmacher die Ernennung eines gerichtlich eingesetzten Administrators zu vermeiden und gleichzeitig zu verhindern, dass externe Aktionäre die Kontrolle über Le Monde bekommen. Fottorinos Kandidatur wurde bei einer Sitzung des Aufsichtsrates am Montag jedoch klar abgelehnt. Die Entscheidung soll nun bei einer Aktionärsversammlung am 25. Januar fallen.

Die Spannungen hatten schon gleich nach der Ernennung des neuen Direktoriums aus Pierre Jeantet, seinem Vize Bruno Patino und eben Fottorino begonnen. Sehr bald beschwerte sich dieses Triumvirat über die inakzeptable "Einmischung" der SRM in die Budgetfragen der Zeitung, die nichts mit dem Mitbestimmungsrecht der Redaktionsmitglieder bezüglich Inhalt und Ausrichtung zu tun hätten. Sein Rücktritt war ein Protest dagegen. Doch Anfang Januar wechselte Fottorino überraschend das Lager. Ihm gehe es darum, durch die Verantwortlichkeit für Direktion und Redaktion einer andauernden Führungskrise und der drohenden Einsetzung eines gerichtlichen Administrators zuvorzukommen. Die SRM, die zusammen mit anderen Personalvertretungen über 43 Prozent des Kapitals der Holding verfügt, bezichtigt den bisherigen Aufsichtsratschef Minc, er habe "die Krisensituation, die man im Dialog hätte beilegen können, vorsätzlich verschlimmert".

Mincs wirkliches Ziel aber sei es, Le Monde an Lagardère zu verschachern. Minc, der wie der mächtige Medienunternehmer Arnaud Lagardère zum engen Freundeskreis von Staatspräsident Nicolas Sarkozy gehört, wolle eine in Aktien umwandelbare Anleihe im Wert von 75 Millionen Euro veräußern. Lagardère und die italienische Gruppe Prisa sind interessiert, sie würden sogar bar bezahlen. Minc argumentiert darum, die Kontrolle durch externe Besitzer werde es Le Monde (mit einem Defizit von 10 Millionen Euro in 2007) ermöglichen, die unausweichliche Sanierung etwas weniger schmerzhaft zu gestalten. Zurzeit nämlich wird mit einem Abbau von 120 Stellen gerechnet. Das, so meint das Magazin Marianne, nenne man "weniger diplomatisch ausgedrückt: Erpressung mit Arbeitsplätzen". Dem französischen Staatschef, der eine stärkere Konzentration auf dem Pressemarkt wünscht, kann es nur recht sein, wenn die SRM einer bislang unabhängigen Zeitung zugunsten seines Busenfreunds Lagardère entmachtet würde.

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