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Kriminalpsychologin über Täter„Kranke sind nicht gewalttätiger“

Ein Mann schlug mit einer Axt um sich, ein mutmaßlicher Mörder postet Tatortfotos im Netz. Was heißt „psychisch krank“ bei Straftätern?

Nach dem Angriff am Freitag im Hauptbahnhof von Düsseldorf Foto: dpa
Barbara Dribbusch
Interview von Barbara Dribbusch

Wie schnell kann man beurteilen, ob ein Gewalttäter „psychisch krank“ ist?

Sabine Nowara: Das hängt davon ab, was für ein Störungsbild jemand hat. Wenn jemand eine akute wahnhafte Erkrankung hat und sich bedroht und verfolgt fühlt von höheren Mächten oder irgendwelchen politischen Organisationen, das könnte man schnell merken. Da reicht es, wenn man sich mit dieser Person ein paar Minuten unterhält. In einem kurzen Kontakt kann man aber eine Persönlichkeitsstörung noch nicht feststellen. Wenn ich im Rahmen eines Strafverfahrens Gutachten erstelle, brauche ich für die Begutachtung grundsätzlich mehrere Stunden.

Gibt es gleitende Übergänge zwischen „psychisch krank“ und „gesund“ bei Straftätern?

Wir unterscheiden zwischen Einsichtsfähigkeit bei der Schuldfähigkeit und Steuerungsfähigkeit. Wenn jemand eine Psychose hat, kann es sein, dass er nicht einsichtsfähig ist bei seiner Tat. Er weiß gar nicht, dass er etwas Unrechtes begeht. Und dann haben wir Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung, die sind einsichtig, aber können sich nach ihrer Einsicht nur mehr oder weniger gut steuern oder verhalten. Was aber nicht bedeutet, dass jeder, der persönlichkeitsgestört ist, auch vermindert steuerungsfähig ist. Das muss man im Einzelfall genau untersuchen.

In Herne postete der 19jährige mutmaßliche Täter nach dem Mord an einem kleinen Jungen Fotos von sich am Tatort im Internet. Welche Rolle spielen die Sozialen Medien für Gewalttäter?

Es sind einige wenige Fälle, in denen die Täter offenbar die Öffentlichkeit suchen, auch in den Sozialen Medien. Das sind aber Ausnahmen. In den allermeisten Fällen wollen die Täter keine Entdeckung und nicht auf sich aufmerksam machen.

Im Falle des mutmaßlichen Polizistenmörders von Beeskow hatte ein Gutachter den Mann, der zuvor straffällig geworden war, als psychisch krank diagnostiziert. Er kam aber trotzdem auf freien Fuß und tötete später seine Großmutter und zwei Polizisten. Wie sicher sind Gutachten?

Die letzte Entscheidung hat immer der Richter. Da wägt man ab, zeichnet Risikoszenarien auf und bestimmte Wahrscheinlichkeiten. Aber man kann in einen Menschen nicht hineinschauen und deswegen bleibt immer ein Risiko.

Bild: Universität zu Köln
Im Interview: Sabine Nowara

58, ist Kriminalpsychologin, Gutachterin und Honorarprofessorin am Institut für Kriminologie der Universität Köln.

In der Öffentlichkeit entsteht nach den Fällen in jüngster Vergangenheit leicht der Eindruck, psychisch Kranke seien besonders gefährlich.

Psychisch Kranke sind nicht gewalttätiger als Normalbürger auch. Wenn sich ein psychisch Kranker akut bedroht fühlt und meint, sich verteidigen zu müssen und aus dieser Krankheit heraus gewalttätig wird, dann ist das etwas anderes, als wenn jemand während eines geplanten Bankraubs gewalttätig wird. Wenn diese Person behandelt wird, sinkt das Risiko wieder ab, dass er oder sie gefährlich wird. Wir haben viele Krankheitsbilder psychischer Störungen, wo die Menschen überhaupt nicht gefährlich sind, oder wenn, dann legen sie Hand an sich selbst.

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2 Kommentare

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  • "Psychisch Kranke sind nicht gewalttätiger als Normalbürger auch."

     

    Ich habe etwas länger darüber nachdenken müssen und stimme der Aussage nicht zu. Viele psychisch Kranke sind offiziell nicht diagnostiziert und wenn sie Kinder haben, üben sie (mitunter/ untherapiert) psychische und/oder physische und/oder sexuelle Gewalt aus, die in keiner Statistik Eingang findet.

    Erst wenn diese Taten auch erfasst werden würden, wäre es eine aussagekräftige Datengrundlage.

  • Das jemand der "einfach so" und dann noch mit der Axt Leute umbringt nicht gesund sein kann dürfte wohl klar sein. Wenn der dann noch zusätzlich an ein höheres Wesen glaubt (und das auch noch als Begründung anführt) bestätigt das das Krankheitsbild natürlich noch.

    Trotzdem läuft das dann auf Terrorismus hinaus. Denn auch alle anderen "anerkannten" Terroristen besitzen eben genau dieses Krankheitsbild.

     

    Oder soll es irgendwie gesund sein, eine Bombe in einem Vorortzug (Madrid) oder in der U-Bahn (London) zu plazieren oder mit einem Laster 2½ km über eine menschenbefüllte Partymeile zu fahren?

     

    Natürlich sind Terroristen psychisch krank. Aber bei weitem nicht alle psychisch Kranken sind Terroristen oder auch nur gewalttätig.

     

    Es ist schon die Frage zu stellen ob bei dieser Berichterstattung nicht Vorbehalte gegen - eigentlich harmlose - psychisch Kranke geschürt werden.