piwik no script img

Kriminalität in der UkraineDie Leiche aus dem Fluss

Die Juristin Irina Nosdrowska wurde ermordet. Der Tat gingen mehre Drohungen voraus. Demonstranten in Kiew fordern Aufklärung.

Ermordet: Die Juristin und Menschenrechtsaktivistin Irina Nosdrowska Foto: Facebook/Nosdrowska

Berlin taz | Erschüttert vom Mord an der ukrainischen Juristin Irina Nosdrowska haben am Dienstag Hunderte Menschen im Zentrum von Kiew demonstriert. Sie forderten eine Aufklärung des Mordes, Polizeischutz für die Tochter der Getöteten und den Rücktritt von Innenminister Arsen Awakow.

Es ist nicht nur dieser Mord, der die Menschen auf die Straße treibt. Immer wieder kamen in den letzten Jahren unabhängige Journalisten, Aktivisten und Anwälte in der Ukraine ums Leben. Ermittelt wurden die Täter fast nie.

Am Neujahrstag war die Leiche der 38-jährigen Nosdrowska aus einem Fluss in der Nähe von Kiew geborgen worden. Die aus dem Kiewer Vorort Wyschhorod stammende Juristin hatte die Verurteilung eines Mannes durchgesetzt, der ihre Schwester Switlana im September 2015 in einem Dorf im Gebiet Wyschhorod überfahren hatte. Der Fahrer des Todeswagens, Dmitrij Rossoschanskij, ist der Neffe des damaligen vorsitzenden Richters von Wyschhorod.

Es war Irina Nosdrowska gelungen, das Verfahren von der Ortschaft Wyschhorod in eine Nachbargemeinde zu verlegen. Dort hatten die Richter den Mut, den Fahrer des Wagens, der nach der Tat Fahrerflucht begangen hatte, im Mai 2017 zu sieben Jahren Haft zu verurteilen.

Spurlos verschwunden

Am 27. Dezember lehnten die Richter in einem Berufungsverfahren eine Freilassung des Todesfahrers ab. Zwei Tage später verschwand Irina Nosdrowska spurlos. Ihre nackte Leiche entdeckte man am Neujahrstag in einem Flüsschen in der Nähe des Dorfes Demidow bei Wyschhorod. Nicht weit von der Stelle, an der ihre Schwester 2015 getötet worden war.

Unterdessen hat die Polizei 50 Personen verhört. Als einer der ersten wurde der frühere Lebenspartner der Ermordeten, Vitalij Sergejew, in Wyschhorod sechs Stunden von der Polizei befragt. Gleichzeitig wurde der Wagen von Sergejew beschlagnahmt.

Gegenüber dem Internetportal fakty.ua erklärte die 18-jährige Tochter der Ermordeten, Anastasia Nosdrowska, sie glaube nicht, dass Vitalij Sergejew etwas mit dem Mord zu tun habe. Aber mit ihm habe man wohl den erst besten Verdächtigen gefunden, dem man nun alles anhängen könne.

Gleichzeitig berichtete die Tochter gegenüber fakty, dass ihre Mutter zwei Jahre von Verwandten des Todesfahrers bedroht worden sei. Diese hätten Sprengkörper in die Wohnung der Mutter geworfen und auch die Tochter selbst tätlich angegriffen. Bei der Berufungsverhandlung am 27. Dezember habe der Vater des Todesfahrers zu der Juristin gesagt: „Nosdrowska, du wirst ein bitteres Ende erleben.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!