Krimi zu Gentrifizierung in Cottbus: Immobilen und Gewissensbisse
Ein „Polizeiruf“ schildert eindrücklich, wie Familien auch mehr als 75 Jahre nach Kriegsende von verdrängten Verbrechen geprägt werden.
Wer hätte gedacht, dass die Gentrifizierung jetzt auch in Cottbus Einzug gehalten hat und sich Investitionen im mehrstelligen Millionenbereich in der brandenburgischen Stadt lohnen?
Lässig braust Kommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) zu Beginn des deutsch-polnischen „Polizeirufs“ auf seinem Motorrad zu einem Unfall mit Leiche – in der Ladung eines umgekippten Lastwagens findet sich neben reichlich Asbest der leblose Körper der Bauingenieurin Daniela Nowak. Die Lässigkeit verlässt den Beamten jedoch alsbald, da er für seine Ermittlungen nach Cottbus muss.
Dort erwartet ihn neben dem äußerst unwirschen und wenig kooperativen Dienststellenleiter Markus Oelßner (wutbeutelig gespielt von Bernd Hölscher) auch seine ehemalige Kollegin Alexandra Luschke (wunderbar loyal-flapsig dargestellt von Gisa Flake).
Nach ein bisschen Stochern im Nebel finden die Polizist*innen heraus, dass Daniela Nowak mit einem großen Luxusbauprojekt befasst war. Für ihren Chef, den Immobilienspekulanten Karl Winkler (Sven-Eric Bechtolf), forschte sie an der Geschichte der für den Ausbau vorgesehenen Häuser. Dabei stieß sie auf den Restitutionsanspruch des Holocaustüberlebenden Zvi Spielmann (Dov Glickman).
Nachwehen der Nazizeit
Für einen Gerichtstermin, um die Besitzansprüche des Hauses zu klären, ist er mitsamt seiner resoluten Tochter Maja (Orit Nahmias) erstmals seit der Befreiung aus dem Konzentrationslager wieder in Deutschland. Im Zuge der Ermittlungen stellt sich heraus, dass Daniela Nowak zwischen die Fronten des Immobilienmoguls, des eigenen Gewissens und der immer noch aktuellen und präsenten Nachwehen der Nazizeit geraten ist.
„Polizeiruf 110“: „Hermann“, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD
Eindrücklich schildert dieser „Polizeiruf“, wie Familien auch mehr als 75 Jahre nach Kriegsende an den Folgen dieses brutalsten Kapitels der deutschen Geschichte kaputt gehen können, und wie schnell Wunden wieder aufreißen.
Handlungen aus Kindheitstagen ziehen Konsequenzen bis in die heutige Zeit nach sich, und die Kindeskinder tun mitunter alles, um ihre Eltern und sich selbst zu schützen. In dieser Geschichte gewinnt dabei niemand; Geld wird die Verluste aus der Vergangenheit nicht wieder gutmachen können und die harte Konfrontation mit ebendiesen Geschehnissen hat auf alle Charaktere einen Einfluss.
Nur die Gentrifizierung, die schreitet hier wie da voran und macht vor nichts und niemandem Halt.
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