Kriegsmunition tötet Meeressäuger: Ostsee-Wale totgesprengt
Naturschützer*innen führen den Fund 18 toter Schweinswale auf die Sprengung alter Kriegsmunition zurück.

Klein und bedroht: der Schweinswal Foto: dpa/Stefan Sauer
Die deutsche Bundesmarine hat mit der Sprengung von 39 alten Seekriegsminen im Ostsee-Naturschutzgebiet Fehmarnbelt Kritik auf sich gezogen. „Die Sprengungen der Marine gefährden den Bestand der streng geschützten Schweinswale in der Ostsee“, sagte Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) am Sonntag.
Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) hatte erklärt, im Zeitraum nach den Sprengungen im Rahmen eines Nato-Manövers im August seien insgesamt 18 tote Schweinswale gefunden worden. Wie viele tatsächlich während der Fortpflanzungszeit verletzt oder getötet worden seien, wisse noch niemand, sagte Nabu-Geschäftsführer Leif Miller.
Im vergangenen Jahr waren an der deutschen Ostseeküste insgesamt 203 tote Schweinswale gefunden worden: in Schleswig-Holstein 134, in Mecklenburg-Vorpommern 69. Die kleinen, als scheu geltenden Meeressäuger sind die einzigen in der Ostsee heimischen Wale. Ihre genaue Zahl ist schwer zu schätzen, scheint aber deutlich rückläufig zu sein. Eine von Expert*innen als Unterart betrachtete Teilpopulation der zentralen Ostsee zählt weniger als 500 Tiere und ist somit vom Aussterben bedroht.
1,6 Millionen Tonnen Munition modern in der Ostsee
Der Nabu vermutete, das Nato-Manöver könnte eine gute Gelegenheit gewesen sein, kostengünstig zu sprengen und aufwendige Abstimmungsprozesse mit Naturschutzbehörden zu umgehen. Nach Angaben der Organisation liegen noch mehr als 1,6 Millionen Tonnen Weltkriegsmunition in der deutschen Nord- und Ostsee. Die Munitionshülsen korrodieren, gefährliche Giftstoffe reichern sich in der Meeresflora und -fauna an und erreichen über die Nahrungskette auch den Menschen.
Landesumweltminister Albrecht forderte den Bund auf, umgehend auf Alternativen zur Sprengung im Meer zu setzen und Projekte zur Unterwasserentschärfung per Roboter zu fördern. „Ich erwarte von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, dass sie den umfangreichen internationalen Schutzstatus der Schweinswale endlich achtet und auf Sprengungen von Munition verzichtet“, sagte er. Zuletzt hatte die Umweltministerkonferenz den Beschluss gefasst, ein gemeinsames Konzept zur Munitionsräumung zu erarbeiten. (dpa, taz)
Leser*innenkommentare
hup
Da würde ich mich lieber auf die Expertise des Kampfmittelräumdienstes verlassen, was machbar und was notwendig ist zur Munitionsbeseitigung, als auf die des Nabu.
Natürlich sollte alles abgestimmt werden, aber oft lassen sich alte Seeminen schlicht nicht sicher bergen. Gesprengt wird nicht zum Spass, sondern zur Sicherheit der Mitarbeiter. Das ist nicht nur eine Frage der Mittel und der Kosten, sondern eine der Sicherheit der Kampfmittelbeseitiger per se. Und deren Leben sollte in der Abwägung gegen das von Schweinswalen hoffentlich mehr zählen.
Abgesehen davon sind marine Roboter nicht in der Lage Entschärfungen vor Ort vorzunehmen. Solche Roboter gibt es im Moment nicht, ihre Entwicklung würde Jahre dauern und bestenfalls wenige der Sprengungen vermeiden. Hier gibt es keine „Silver Bullet“ - keine Entscheidung ist ohne Nebenwirkungen. Die Munitionsräumung ist ein schwieriges Erbe.