Kriege im Irak und deutsche Firmen: Urlaub und Giftgas
An die Verwicklungen deutscher Unternehmen in Nahost sollte man regelmäßig erinnern. Zum Beispiel beim Ferienmachen.
A b in den Urlaub. Bei TUI gibt es gerade Rabatt: „Winter Warm-up, jetzt Winterdeals buchen und 34 Prozent sparen.“ TUI ist Europas größtes Touristikunternehmen und bietet alles: Pauschalreisen, Last Minute, Hotels, TUI Special Deals nicht zu vergessen.
Die TUI Care Foundation will sich außerdem für eine bessere Welt einsetzen, ihre Projekte: plastikfreie Strände in Zypern, Elefantenrettung in Tansania, Mädchen eine Stimme geben in Brasilien. Im Irak gibt es keine Projekte von der TUI Care Foundation. Dabei war TUI früher schon mal dort. TUI hieß damals noch Preussag AG, und war ein Mischkonzern, der erst 2002 zur TUI Freizeitspaß AG wurde. Preussag ist allerdings nicht zum Urlaubmachen in den Irak gefahren, sondern arbeitete mit dem Massenmörder Saddam Hussein zusammen.
Saddam Hussein, für die, die sich nicht erinnern: vierundzwanzig Jahre lang Diktator im Irak, bekannt für Foltergefängnisse, Exekutionen, Massenmorde, den Anfal-Genozid an den Kurd*innen, Giftgasangriffe. 1987 befahl Saddam Hussein den Giftgasangriff auf die kurdische Stadt Sardascht. Am Ende des ersten Golfkriegs 1988 folgte Halabdscha. Halabdscha wurde von der irakischen Luftwaffe mit Giftgas bombardiert. Es gab über 5.000 Tote. Bis heute leidet man an den Spätfolgen. Die verwendeten Kampfstoffe: Senfgas, Tabun, Sarin, und VX.
Nicht nur die Preussag AG wird beschuldigt, sondern auch Firmen wie Karl Kolb aus Hessen (Letztere ist übrigens immer noch viel im Irak unterwegs und hat sich für November auf der Bagdad International Fair angemeldet), Bayer und Heberger Bau aus Rheinland-Pfalz. Deutsche Konzerne, also deutsche Angestellte dieser Konzerne, sind in den Irak gereist, um Saddam Hussein bei der Produktion von Chemiewaffen zu unterstützen. So was könnte man Beihilfe zum Massenmord nennen. Eine US-Firma und eine britische hatten zuvor die Zusammenarbeit abgelehnt, wegen der Missbrauchsgefahr (Insektizide, die auch militärisch eingesetzt werden können).
In Deutschland macht man es wie man es schon immer gemacht hat: in bester deutscher Unternehmenstradition. Keines der Unternehmen hat Verantwortung übernommen, eine Entschädigung der Opfer gibt es nicht. Die Antworten bleiben dieselben: „Geschäftsbeziehungen zum Irak waren damals üblich und auch zulässig“ oder „Die Angelegenheit liegt schon über 30 Jahre zurück“. TUI hält die Sache für abgeschlossen und befindet, dass ihr juristisch keine Vorwürfe zu machen sind. Bei der TUI Care Foundation rettet man Elefanten und Sandstrände.
Apropos Tradition: Was man in der kurdischen Stadt Suleimania bis heute nicht vergessen hat: Das Saddam-Foltergefängnis wurde von deutschen Architekten aus der DDR gebaut. Und auch der deutsche Chemiewaffenhandel hat Tradition. 1937 kaufte Atatürk chemische Kampfstoffe aus Deutschland, um die Kurd*innen in Dersim zu ermorden. Die Flugzeuge, mit denen seine Adoptivtochter Sabiha Gökçen die Region bombardierte, stammten ebenfalls aus Deutschland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen