Krieg um Berg-Karabach: Armenien meldet neuen Angriff
Die Gefechte um Berg-Karabach gehen weiter. Laut Armenien sind Aserbaidschans Truppen bei „heftigen Kämpfen“ vorgerückt. International wächst die Sorge.
Seit fast einer Woche liefern sich die beiden verfeindeten Staaten schwere Gefechte in dem von Armenien kontrollierten Gebiet in Aserbaidschan. Diese gehen weit über die Konflikte hinaus, die es zuletzt immer wieder in der Region gab. Bei den Kämpfen im Südkaukasus sind nach armenischen Angaben in Berg-Karabach deutlich mehr als 200 Menschen getötet worden. Es gab allerdings abweichende Informationen. Aserbaidschan zählte zuletzt nach eigenen Angaben 19 tote Zivilist*innen und 60 Verletzte.
Nach armenischer Darstellung hat Aserbaidschan weitere Kräfte in das Konfliktgebiet hinzugezogen. Baku bestätigte dies zunächst nicht. Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev teilte nach einem Telefonat mit seinem französischen Kollegen Emmanuel Macron mit, seine Armee habe besetzte Gebiete befreit. Zugleich warf er dem Nachbarland vor, die Verhandlungen über die Beilegung des Konflikts zu behindern.
Trump, Macron und Putin geben gemeinsame Erklärung ab
Währenddessen wächst international die Sorge vor einem Flächenbrand im Südkaukasus mit Beteiligung islamistischer Terrorist*innen aus Syrien und Libyen. Auch der armenische Regierungschef Nikol Paschinjan führte bereits Gespräche mit Macron. Während des Telefonats hätten er und Macron auf die Gefahr durch Islamist*innen hingewiesen. Paschinjan hatte zudem der Türkei vorgeworfen, Tausende Söldner*innen aus den Kriegsgebieten in Syrien und Libyen in den Südkaukasus verlagert zu haben. Auch Russland teilte mit, plausible Hinweise zu haben.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow zeigte sich nach Angaben aus Moskau in einem Telefonat mit seinem iranischen Kollegen Mohammed Dschawad Sarif besorgt über diese Entwicklung. Der Iran ist Nachbar von Armenien und Aserbaidschan und hatte eine Vermittlung in dem Konflikt angeboten. Russland hat die Konfliktparteien zu einem sofortigen Abzug der Kämpfer*innen illegaler Terrorgruppieren aus dem Nahen Osten aufgefordert. Sollte sich ein Einsatz dieser Kämpfer*innen bewahrheiten, dann hätte der jahrzehntealte Konflikt eine neue Dimension. Harte Beweise für den Einsatz von Söldner*innen gab es nicht.
Offizielles Gremium für die Vermittlung zwischen den beiden verfeindeten Ex-Sowjetrepubliken ist die so bezeichnete Minsker Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die Gruppe forderte ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen sowie eine Rückkehr an den Verhandlungstisch. Zuvor hatten US-Präsident Donald Trump, Macron und Kremlchef Wladimir Putin in einer gemeinsamen Erklärung die Einhaltung der Waffenruhe und einen Dialog gefordert. Während sich Armenien offen zeigte für Verhandlungen, lehnte Aserbaidschan ab.
UN-Generalsekretär António Guterres bedauerte, dass die Kampfhandlungen auch nach dem Appell Frankreichs, der USA und Russlands weitergingen. Er forderte die Konfliktparteien auf, umgehend alle Feindseligkeiten zu beenden, damit sich das menschliche Leiden in der Region nicht noch weiter verschlimmere. Zu lösen sei der Konflikt nicht militärisch, sondern nur auf dem Weg des Dialogs.
Zerbrochene Waffenruhe
Mit Unterstützung der Türkei betonte Aserbaidschan mehrfach, Armenien das Gebiet entreißen zu wollen. Das gas- und ölreiche Land hat in den vergangenen Jahren deutlich aufgerüstet und ist dem völlig verarmten Armenien militärisch überlegen. Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev hatte damit gedroht, sich das Gebiet militärisch notfalls zurückzuholen. Er kritisierte, dass die jahrelangen Verhandlungen für sein Land keine Fortschritte gebracht hätten.
Die beiden Ex-Sowjetrepubliken kämpfen seit Jahrzehnten um die bergige Region, in der rund 145.000 Menschen leben. Berg-Karabach wird von Armenien kontrolliert, gehört aber völkerrechtlich zum islamisch geprägten Aserbaidschan. In einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor rund 30 Jahren verlor Aserbaidschan die Kontrolle über das Gebiet. Es wird heute von christlichen Karabach-Armenier*innen bewohnt. Seit 1994 gilt eine brüchige Waffenruhe.
Der Präsident von Berg-Karabach, Araik Arutjunjan, traf sich nach eigenen Angaben in der vergangenen Nacht mit Soldat*innen. Dabei sei er auch an die Front gegangen, berichteten armenische Medien. Dort werde er mehr gebraucht als „hinten“, meinte Arutjunjan demnach. „Wir werden unser Heimatland mit Ehre verteidigen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins