piwik no script img

Krieg in der UkraineRussische Pop-Diva als Agentin

Auch Prominente sind vom russischen Angriffskrieg betroffen. Jüngste Beispiele: Popdiva Alla Pugatschowa und der Balletttänzer Olexandr Schapowal.

Unumstrittene Nummer eins im russischen Showgeschäft: Pop-Ikone Alla Pugatschowa Foto: Vyacheslav Prokofyev/imago

Alla Pugatschowa, 73-jährige russische Pop-Diva und unumstritten die wichtigste Frau im russischen Showgeschäft, mehrfach vom russischen Staat ausgezeichnet, liegt im Clinch mit ebendiesem Staat. Auslöser dieses Konfliktes ist die Eintragung ihres Ehemannes Maxim Galkin in die Liste der „ausländischen Agenten“ am 16. September.

Sofort nach Beginn des russischen Großangriffes auf die Ukraine im Februar hatte sich Galkin klar gegen den Krieg ausgesprochen. Wenig später hatten er und seine Frau Alla Pugatschowa Russland Richtung Israel verlassen. Zurück in Russland gab Pugatschowa nach der Einordnung ihres Mannes als Agent ihre politische Zurückhaltung auf und erklärte sich mit Galkin solidarisch.

Ich stehe solidarisch an der Seite meines Mannes …, der ein Ende des Tötens unserer Jungs für illusorische Ziele wünscht

Alla Pugatschowa

Auf Instagram erklärte sie an die russische Regierung gewandt: „Bitte nehmen Sie mich in die Reihen der ausländischen Agenten meines geliebten Landes auf, denn ich stehe solidarisch an der Seite meines Mannes, eines ehrlichen, anständigen und aufrichtigen Mannes, eines wahren und unbestechlichen Patrioten Russlands, der seinem Heimatland Wohlstand, ein friedliches Leben, Meinungsfreiheit und ein Ende des Tötens unserer Jungs für illusorische Ziele wünscht.“

Für die Menschen in Russland ist Alla Pugatschowa das, was für viele Menschen im Westen die Beatles oder Jimi Hendrix sind. Mit den Liedern von Pugatschowa ist man erwachsen geworden und auch gealtert. Mehrere Millionen Klicks auf Youtube hat eines der ersten Lieder von Pugatschewa, die ihre ersten öffentlichen Auftritte als Solosängerin 1976 und 1977 in Charkiw hatte, Arlekino. Auch die Machthaber liebten sie. Unzählige Fotos zeigen sie zusammen mit Boris Jelzin, Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin. Drei Orden hatte die Sowjetunion der Künstlerin verliehen, fünf Orden das moderne Russland. Putin hatte sie 2014 persönlich ausgezeichnet.

Dass es zwischen Pugatschowa und den russischen Machthabern knirscht, wurde schon vor Monaten deutlich. Weitgehend auf Ablehnung war Margarita Simonjan, Chefin des staatseigenen „Russia Today“, in den sozialen Netz­werken gestoßen, als sie Anfang des Jahres Pugatschows Mann Maxim Galkin als einen „Gay, der eine alte Frau geheiratet hat“, beschimpft hatte.

Trauer um Olexandr Schapowal

Unterdessen trauert die Ukraine um einen der ihren Stars. Am Wochenende verabschiedete sie sich von einem der größten Balletttänzer des Landes, Olexandr Schapowal. Am 12. September hatte ein Mörsergeschoss im Gebiet Donezk unweit der Ortschaft Majorsk um fünf Uhr morgens in einen ukrai­nischen Schützengraben eingeschlagen. Der 47-jährige Schapowal war auf der Stelle tot.

Nie habe sich Olexandr Schapowal, der seit 1994 an der Kiewer Nationaloper als Balletttänzer und Tanzlehrer gearbeitet hat, für den Kriegsdienst interessiert, berichtet sein Kollege, der Balletttänzer Maxim Motkow, gegenüber dem Fernsehkanal TSN. Doch am 25. Februar hatte Schapowal, so TSN, „die Ballettschuhe gegen Kampfstiefel“ eingetauscht und sich als Freiwilliger an die Front gemeldet. Während er zunächst in der Landesverteidigung im Gebiet Kiew kämpfte, stand er Wochen später mit einem Granatwerfer im Donbass auf seinem Posten. Und dort hat der Vater von zwei Kindern sein Leben verloren.

Für seine Kol­le­g:in­nen und Weggefährten ist die Nachricht von seinem Tod ein Schock. Gegenüber focus.ua erinnert sich Larissa Tarasenko, Sprecherin der Nationaloper, an ihn. „Er wurde von seinen Tanzpartnerinnen geliebt – er war nicht nur gutaussehend, sondern vor allem ein zuverlässiger Partner.“ Er habe in seinem Unterricht immer darauf geachtet, dass ein Partner beim Duotanz nicht dominant ist, wollte er doch nicht, dass eine Tanzpartnerin von einem Tänzer verletzt werde.

„Schapowal war ein sehr charismatischer, professioneller Mensch. Ich glaube, es gibt nur sehr wenige Künstler mit einer solchen Ausstrahlung. Es ist schrecklich, dass er uns verlassen hat und nicht mehr auf dieser Welt ist, wo er doch immer wieder für Überraschungen gesorgt und sie verschönert hat“, so die ukrainische Primaballerina Christina Schischpor gegenüber nv.ua.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Im Faschismus werden auch Prominente ausgeschaltet. Hoffentlich überlebt sie Putin.

    • @Kappert Joachim:

      Ihr Erbe wird das Putins überleben.

  • Respekt für diese Menschen.

  • Respekt, dass die TAZ das Statement von Alla Pugatschowa mitbekommt und davon berichtet! Das unterscheidet die TAZ von vielen anderen Medien in Deutschland!



    Man mag über die Musik von Alla Pugatschowa und ihre privaten Geschichten denken, was man will (über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten), aber an der Stelle macht sie alles richtig und es wird ihrer Popularität keinen Abbruch tun.



    So klare Kante zu bekennen können sich aber halt nur Menschen leisten, die mehrere Pässe (neben dem russichen noch einen anderen) in der Tasche haben, also notfalls den Verschwindibus machen können. Alle anderen normalsterblichen Russen müssen mit dem einen Pass, den sie haben, dort klar kommen.

    • @Bruder Ludwig:

      Tagesschau hat es auch seit Tagen auf der Seite.

    • @Bruder Ludwig:

      Nicht nur die taz. Mindesten der Tagesspiegel (Berlin) hat ebenfalls ausführlich über Pugatschowa berichtet.

    • @Bruder Ludwig:

      "So klare Kante zu bekennen können sich aber halt nur Menschen leisten, die mehrere Pässe (neben dem russichen noch einen anderen) in der Tasche haben, also notfalls den Verschwindibus machen können."



      Das wäre mir neu. Welche Staatsangehörigkeit besitzen Pugatschowa und Galkin den noch?



      Und ganz abgesehen davon zeigen in Russland jeden Tag Menschen mit nur einem Pass, prominente und nicht prominente, klare Kante.



      Pugatschowa, die für das was sie seit ihrer Rückkehr gesagt hat, auch meinen absoluten Respekt hat, baut IMO auf ihre Prominenz, d.h. dass die Putinisten sich nicht trauen, sie einzusperren oder ihr auch nur ein größeres Verfahren anzuhängen. Ihre Kinder sind außerdem (meines Wissens) noch unter 14, d.h. nach russischem Strafrecht ist eine Verhaftung nicht so einfach möglich. Und Geldstrafen zahlt sie aus der Portokasse. (Das schreibe ich nicht, um das was sie tut, kleinzureden.)

      • @Barbara Falk:

        "Ihre Kinder sind außerdem (meines Wissens) noch unter 14, d.h. "



        Sind das Adoptivkinder? Die Frau ist 73, aber gut, heutzutage geht das vermutlich auch.



        @Fullcontact: Im Radio (z.B. DLF) war die Meldung auch kaum zu überhören.

        • @0 Substanz:

          Nein.