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Krieg in AfghanistanSelbstmordanschlag auf Bundeswehr

Nach dem Luftangriff im deutschen Auftrag bei Kundus mit Dutzenden Toten, sprengte sich am Sonnabend in der Nähe eines Bundeswehr-Konvois ein Selbstmordattentäter in die Luft.

Soldaten der Bundeswehr nach dem Anschlag. Bild: dpa

KUNDUS ap | Einen Tag nach dem von der Bundeswehr angeforderten NATO-Luftangriff in Afghanistan mit Dutzenden Toten sind bei einem Selbstmordanschlag nahe Kundus vier deutsche Soldaten verletzt worden. Der Attentäter griff am Samstag in einem Fahrzeug eine deutsche Kolonne an und löste einen Sprengsatz aus, wie die Bundeswehr mitteilte. Ein Ermittlerteam der Nato nahm unterdessen den Ort des Luftangriffs in Augenschein und besuchte das Krankenhaus von Kundus, wo Verletzte behandelt wurden.

Der Anschlag vom Samstag ereignete sich laut Bundeswehr um 9.55 Uhr Ortszeit fünf Kilometer nordöstlich von Kundus. Im nahe gelegenen Bundeswehrstützpunkt sei die Wucht der Explosion zu spüren gewesen, meldete dort ein Journalist der Nachrichtenagentur AP. Ein Fahrzeug wurde beschädigt. Bereits am Freitag war es zu einem Schusswechsel zwischen deutschen Soldaten und Aufständischen gekommen, als ein Untersuchungsteam den Ort des Luftangriffs überprüfte.

Die Bundeswehr hatte die Nato-Luftunterstützung nach einem Taliban-Überfall auf zwei ihrer Tanklastzüge angefordert, um einem Selbstmordanschlag auf die Bundeswehr vorzubeugen, wie Verteidigungsstaatssekretär Thomas Kossendey erklärte. Der Bundeswehr zufolge wurden ausschließlich 57 Aufständische getötet. Der Gouverneur der betroffenen Region, Mohammed Omar, gab die Zahl der Opfer dagegen mit mindestens 72 an. Etwa 30 von ihnen seien als Aufständische identifiziert worden. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen schloss die Möglichkeit ziviler Opfer nicht aus und kündigte eine gründliche Untersuchung an.

Zehnjähriger wollte Treibstoff abzapfen

Die Aufständischen hatten die beiden Tanklastzüge an einem vorgetäuschten Kontrollpunkt ungefähr sieben Kilometer südwestlich des Bundeswehrstützpunktes gekapert. Der Angriff eines US-Kampfjets erfolgte 40 Minuten später gegen 02.30 Uhr Ortszeit. Bei den zivilen Opfern handelte es sich der afghanischen Polizei zufolge um Personen, die Treibstoff aus den Lastwagen abgezapft haben sollen. Diese Angaben wurden am Samstag von einem verletzten Kind bestätigt.

Er sei entgegen der Anordnung seines Vaters losgezogen, um dort Treibstoff zu sammeln, sagte der zehnjährige Mohammad Schafi, der im Krankenhaus in Kundus behandelt wurde. Er habe dann plötzlich einen lauten Knall gehört und könne sich an nichts mehr weiter erinnern.

US-General Stanley McChrystal zeigte sich wegen des Luftangriffs besorgt. McChrystal hatte sich bemüht, Einsätze aus der Luft und die Zahl ziviler Opfer zu reduzieren. Der General sprach nach US-Angaben mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai über den tödlichen Vorfall.

Im Osten Afghanistans wurde unterdessen ein polnischer Soldat getötet, wie das Verteidigungsministerium in Warschau am Samstag mitteilte. Fünf weitere wurden verletzt, als unter ihrem Fahrzeug eine Bombe explodierte. Seit März 2002 haben damit elf polnische Soldaten ihr Leben in Afghanistan verloren.

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5 Kommentare

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  • C
    C.K.

    Ich habe noch die Endlosschleife im Ohr:"Im Norden ist es so ruhig, weil wir alles besser machen als die Amerikaner, die nur rumballern" Aha. Und nun?

    BW+Politik hatten einfach Glück mit dem Norden (die Nord-Allianz hieß ja nicht Süd-Allianz), nur leider haben die OMF nun gemerkt, dass die BW nicht die Mittel und das MAndat hat

    1. Die Bevölkerung durch Präsenz zu schützen (ganze 320 Mann in Kunduz combat ready)

    2. Keine Mittel hat, um anders als mit Luftschlägen zu reagieren, wenn man Eigenschutz so hoch ansetzt wie das wohl in der heißen Phase des Wahlkampfs als angebracht gesehen wird. Erfodernisse des Einsatzes hin oder her.

     

    Und nun steht man da, führt keinen Krieg und trotzdem sterben 50-100 Menschen und ISAF hat ein fettes PR-Desaster an den HAcken.

     

    Wenn es nicht so eine menschliche Tragödie wäre, könnte man fast lachen über die Ironie, dass die Amerikaner besorgt sind und eine Untersuchung fordern um das Verhalten der ach-so-kompetenten Deutschen zu beleuchten, während Jung+Konsorten Krieg gegen die Wirklichkeit führen. Wir sollten uns zurück ziehen. Den Verbündeten und Afghanen zu Liebe.

  • H
    HRolf

    Tatort nur 7 km vom Bundeswehrstützpunkt entfernt - und dann Anforderung von Jagdbombern - eine eigenartige Taktik, die bei diesem schweren Zwischenfall in Afghanistan angewendet wurde.

     

    Sind die Streitkräfte in Kundus nicht stark oder intelligent genug, um einen solchen Handstreich zu verhindern? Weshalb gab es für Tanklaster keinen Geleitschutz? Warum wurden die Angreifer nicht durch eine schnelle (!) Eingreiftruppen eingekreist und versucht, sie gefangen zu nehmen?

     

    Die Taliban unterlaufen in diesem Krieg (n.b. Herr Jung!) mit ihren intelligenten Schachzügen die nicht für diese Art von Kampf geschulten Soldaten, die nur mit geballten Angriffen antworten, unter denen die Zivilbevölkerung mehr und mehr leidet. Wer diesen Krieg verfolgt, wird an T.E.Lawrence und den Krieg auf der arab.Halbinsel und Palästina erinnert. Dessen Buch liegt seit 50 Jahren in jeder Truppenbücherei auf und zeigt, wie durch Schlau- und Verschlagenheit reguläre Kampftruppen leicht "verarscht" werden können.

     

    Übrigens: nicht nur vom CIA - auch gerade von Lawrence, Mao und Vietnam haben die Taliban gut gelernt. Ein Lernen aus dieser simplen Lektüre fand leider auf unserer Seite anscheinend nicht statt. Ein Bombenhagel auf Terroristen hilft nicht.

     

    Die Angehörigen der erneuten Opfer werden sich nicht in Dankbarkeit vor der BRD verneigen, sondern im Gegenteil die Taliban verstärken. Und diese bewegen sich sprichwörtlich wie Fische im Wasser.

  • JS
    Jack Salinger

    Rechtzeitig zur wahrscheinlich verlorenen Wahl hat die SPD einen Krieg angezettelt. Uralter politischer Trick. Die haben wahrscheinlich den Film "Wag the dog" zu oft gesehen. Aber dass mit dem Killen von Zivilisten nun Deutschland offizielles Ziel von Terroristen geworden ist, hat Herr Jung zu verantworten. Hoffen wir mal, dass die Taliban und Al Kaida von uns Deutschen denken, die sind gestraft genug mit ihren Politikern.

  • HV
    Helene von Kolontay

    Daß die Menschen in Afghanistan Anschläge auch gegen deutsche Soldaten verüben sollte niemanden mehr verwundern, denn aus der anfänglichen Hilfstruppe für Afghanistan sind wir zu Angreifern in einem völkerrechtswidrigen Krieg unter Führung der Amerikaner geworden. Die Nato ist nur ein weiteres Instrument der amerikanischen Machtgier um die Recourcen dieses Landes. Deutsche Soldaten müssen sich auch hier wieder sagen lassen, daß sie zu Mördern in Uniform geworden sind. Deutschland muß nicht am Hindukusch verteidigt werden, dies wäre gleich dem Wahnsinnsanspruch der Nazizeit:"Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt".

  • AW
    asg wgwrg

    Sind eigentlich alle verrückt geworden??? Ein Bombardement, 74 tote Menschen, nur weil zwei Tanklastwagen sieben Kilometer vom Stützpunkt entfernt standen?!? Thomas Kossendey und wer noch verantwortlich ist: sie haben diese Menschen auf dem Gewissen!!!