Krieg im Jemen: Bruch zwischen Saleh und den Huthis
Ohne Ex-Präsident Saleh hätten die Huthi-Rebellen Jemens Hauptstadt Sanaa wohl nie erobert. Nun kämpfen seine Truppen plötzlich gegen die Aufständischen.
„Ich rufe alle Brüder in den Nachbarstaaten und ihre Verbündeten auf, die Aggressionen gegen den Jemen zu stoppen. Dann werden wir eine neue Seite aufschlagen und positiv miteinander umgehen“, sagte Saleh am Samstag im jemenitischen Fernsehen.
Saleh forderte die auf Seiten der Regierung kämpfende saudische Allianz zudem dazu auf, die Blockade der Flughäfen und Häfen des Landes komplett zu beenden und wieder Hilfslieferungen in das Land zu lassen. Dann könne auch wieder „nachbarschaftlich“ miteinander gesprochen werden. Die Aussagen wurden als Bruch zwischen Saleh und den Huthis interpretiert.
Der 75-Jährige Saleh, der den Jemen über drei Jahrzehnte bis zu seinem Sturz 2012 regierte, war ein wichtiger Verbündeter der Rebellen. Weite Teile der Armee sind dem schwerreichen ehemaligen Staatschef noch immer treu ergeben. Ohne diese Kämpfer hätten die Aufständischen den Jemen 2014 nicht überrennen und sie von den Regierungstruppen von Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi erobern können. Noch immer kontrollieren sie weite Teile des Nordens und Sanaa. Hadi musste ins Exil nach Riad flüchten.
Von Beginn an ein Zweckbündnis
Rebellenführer Abdel-Malek al-Houthi verlangte ein Ende der Kämpfe in Sanaa und forderte Saleh auf, „reifer“ zu sein als seine Truppen. Dessen Aussagen seien ein „Verrat“. Die Koalition von Huthis und Saleh war von Anfang an als Zweckbündnis gesehen worden. Als dieser noch Präsident war, führte Saleh mehrere Feldzüge gegen die Gruppe, deren Siedlungsgebiet im Norden des Landes liegt. Die saudische Militärkoalition begrüßte das Gesprächsangebot Salehs hingegen.
Im bitterarmen Jemen kämpften die Huthi-Rebellen mit Saleh zusammen auf der einen Seite gegen die Regierung und ein saudi-arabisch geführtes Bündnis auf der anderen Seite. Seit 2015 bombardieren Saudi-Arabien und seine Verbündeten Stellungen der Huthis aus der Luft. Riad beschuldigt die schiitischen Aufständischen, von seinem Erzfeind Iran unterstützt zu werden. Mit ihren Angriffen trug das Bündnis dazu bei, dass im Jemen eine der schwersten humanitären Krisen der Gegenwart ausbrach.
Angst vor einem Krieg im Krieg
Jemen-Experte Adam Baron vom Europäischen Rat für Auswärtige Beziehungen (ECFR) sieht in den Ereignissen einen „Wendepunkt“ in dem langjährigen Krieg. Dabei sei es jedoch noch unklar, wohin der Schritt Salehs führen könnte. Möglicherweise in Richtung eines neuen Friedens-Abkommens.
„Aber gleichzeitig gibt es das Potenzial, dass wir eine neue Situation haben, in dem es zu einem neuen Bürgerkrieg inmitten des jemenitischen Bürgerkrieges kommt“, sagte Baron.
Die Kämpfe zwischen Anhängern Salehs und den Huthis eskalierten am Wochenende. Zahlreiche Menschen sollen verletzt und getötet worden sein. Der saudische Fernsehsender Al-Arabia berichtete von mehr als 80 Toten.
Einwohner berichteten, die Kämpfe seien in einigen Stadtteilen auch am Samstag fortgesetzt worden. Salehs Partei teilte mit, sie habe die Kontrolle über mehrere Bezirke übernommen. Auf Fotos und Videos, die in sozialen Netzwerken geteilt wurden, ist zu sehen, wie Anhänger des Ex-Präsidenten Plakate der Huthis in den Straßen Sanaas von Straßenlaternen herunterrissen.
Derweil wiesen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) die Behauptung der Huthi-Rebellen zurück, einen Marschflugkörper als Vergeltung in Richtung eines Kernreaktors in Abu Dhabi geschossen zu haben. Die VAE kämpfen als Teil der Militärkoalition gegen die Huthis. Emiratische Medien berichteten, es gebe keine Anzeichen für einen entsprechenden Angriff.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!