Krieg im Irak und Syrien: Islamisten erobern Jordaniens Grenze
Palästinensische Kämpfer befreien das Flüchtlingslager in Damaskus vom IS. Islamisten übernehmen die Grenzposten zu Jordanien. Die irakische Armee gewinnt Tikrit zurück.
DAMASKUS dpa/rtr/ap | Von der Terrorgruppe Al-Nusra-Front geführte Rebellen haben nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte den Grenzübergang Nasib von Syrien nach Jordanien übernommen. Wie der Sprecher der in Großbritannien ansässigen Beobachtungsstelle, Abdel Rahman, der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch sagte, hätten sich die syrischen Regierungssoldaten aus der Gegend zurückgezogen.
Nasib sei der letzte noch funktionierende Grenzübergang zwischen beiden Ländern gewesen, der vom Regime in Damaskus kontrolliert wurde. Jordanien hatte den Übergang zum Bürgerkriegsland Syrien zuvor geschlossen. Die Al-Nusra-Front steht dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahe.
Palästinensische Kämpfer haben am Donnerstag wieder weitgehend die Kontrolle über das Flüchtlingslager Jarmuk im Süden von Damaskus übernommen. Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) sei nach erbitterten Gefechten aus dem Camp vertrieben worden, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Donnerstag mit. Die palästinensischen Einheiten seien bei ihrem Kampf gegen die Dschihadisten von anderen Rebellengruppen unterstützt worden. Drei Menschen seien bei den Gefechten getötet worden.
Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) sprach von sechs Toten und 17 Verletzten. Nach Angaben des PLO-Vertreters Anuar Abdel Hadi wurden die IS-Kämpfer an den Rand des Flüchtlingslagers zurückgedrängt.
In dem Flüchtlingslager lebten vor dem Beginn des Konfliktes im Jahr 2011 eine halbe Million Palästinenser. Bisher war es unter der Kontrolle anderer Rebellengruppen und wurde von Regierungstruppen belagert. Das Zentrum der Hauptstadt ist noch immer fest in der Hand der Streitkräfte von Präsident Baschar al-Assad.
Der Südwesten Syriens ist eine Hochburg von gemäßigten Rebellen, die vom Westen und arabischen Staaten unterstützt werden. In anderen Landesteilen haben dagegen Dschihadisten die Oberhand gewonnen. Vor allem der IS hat große Gebiete erobert und dort ein Kalifat ausgerufen. In der Region Damaskus war die Gruppe bisher kaum vertreten.
Tikrit zurückerobert
Die irakische Armee hat nach einem Monat intensiver Kämpfe die Stadt Tikrit von der Terrormiliz Islamischer Staat vollständig zurückerobern können. Verteidigungsminister Chalid al-Obeidi sagte am Mittwoch, die Sicherheitskräfte hätten ihre „Mission erfüllt“ und einen „großartigen“ Sieg über den IS erreicht. Die Rückeroberung gilt als wichtiger Schritt, um die Extremisten auch aus der zweitgrößten irakischen Stadt Mossul zu vertreiben.
Bereits am Dienstag waren die irakischen Truppen in das Zentrum der Geburtsstadt des früheren Diktators Saddam Hussein eingerückt, doch in einzelnen Teilen von Tikrit hatte es noch Kämpfe gegeben. Auch am Mittwoch leisteten Scharfschützen des IS noch Widerstand. Dieser konnte mittlerweile offenbar gebrochen werden.
Nach der Rückeroberung müsse die Normalität in der Stadt so schnell wie möglich wiederhergestellt werden, sagte Innenminister Mohammed al-Ghabban. Zunächst müssten Minen und Autobomben entschärft werden. Dann würden die Polizeistationen wieder geöffnet. Spezielle Komitees sollten die Rückkehr der geflohenen Bewohner organisieren.
Der IS hatte Tikrit im vergangenen Sommer erobert, als seine Kämpfer große Teile des Irak überrannten. Anfang März begannen Regierungstruppen und mit ihnen verbündete Milizen einen Großangriff zur Wiedereinnahme der Provinzhauptstadt, die etwa 160 Kilometer nordwestlich von Bagdad liegt. Als die Offensive ins Stocken geriet, flog die US-Luftwaffe Angriffe auf Stellungen des IS.
Tikrit hat auch symbolische Bedeutung. Sie ist nicht nur die Heimatstadt von Hussein: Im 12. Jahrhundert wurde dort auch Sultan Saladin geboren, der Jerusalem von den Kreuzfahrern zurückeroberte.
Pässe im Palast
Jedoch hat die irakische Armee nach Regierungsangaben in der Stadt ein Massengrab entdeckt. In dem kürzlich von der Armee eingenommenen Palastkomplex seien offenbar die Leichen zahlreicher Soldaten verscharrt worden, sagte Innenminister Mohammed al-Ghaban am Mittwoch in Tikrit. „Dieser Ort erinnert uns an diejenigen, die ungerechterweise getötet wurden, er erinnert uns an das Massaker.“
Die radikalsunnitischen Extremisten des IS hatten im Juni den nahegelegenen Militärstützpunkt Speicher gestürmt und anschließend hunderte Rekruten hingerichtet. Die meisten Opfer waren Schiiten. In dem Palastkomplex am Ufer des Tigris seien dutzende Pässe gefunden worden, sagte ein Polizist. Die Dokumente gehörten demnach Opfern des Speicher-Massakers sowie anderen Soldaten, die seit dem Vormarsch der Dschihadisten als vermisst galten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!