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Krieg im Gazastreifen„Jeden möglichen Fehler gemacht“

Ein geleaktes Dokument bescheinigt Israels Militär, bei seiner jüngsten Operation im Gazastreifen kaum etwas erreicht zu haben. Die Gründe: „Personalengpässe, Materialerschöpfung“.

Einer der vielen israelischen Luftangriffe auf Gaza Stadt, am 20.8.2025 Foto: Dawoud Abu Alkas/reuters

Berlin taz | Der Sprecher der Qassam-Brigaden der Hamas, Hudayfa Samir Abdallah al-Kahlout, ist wohl tot. Das bestätigte Israel am späteren Sonntag. Weitläufiger bekannt war al-Kahlout unter dem Namen „Abu Obeida“; bekannt auch sein Auftreten mit stets von einem rot-weiß gemusterten Tuch verhüllten Gesicht. Am Samstag hatte Israels Militär zunächst erklärt, mit einem Luftangriff auf ein „leitendes Mitglied“ der Miliz gezielt zu haben. Nach Berichten lokaler Reporter wurden bei dem Luftangriff im Viertel Rimal in Gaza-Stadt mindestens sieben Menschen getötet und zwanzig verletzt, darunter Minderjährige.

Der Generalstabschef des israelischen Militärs, Eyal Zamir, erklärte später: Der Angriff auf Abu Obeida sei Teil einer „Serie signifikanter Luftangriffe des israelischen Militärs“. Diese Art der selbst proklamierten Erfolge kann das Militär derzeit wohl gut brauchen. Denn am Sonntag hatte der israelische TV-Sender Channel 12 über ein internes geleaktes Dokument berichtet und es in Teilen veröffentlicht. In diesem wird die Offensive „Gideon’s Chariots“ nachträglich bewertet – und zwar äußerst bescheiden.

„Gideon’s Chariots“ nannte das Militär seine im Mai lancierte, drei Monate anhaltende Offensive im Gazastreifen. Die taz berichtete schon kurz nach ihrem Ende Anfang August: Die vor Beginn gemachten Versprechen, man werde „die Freilassung aller Geiseln erreichen“ und „mit aller Härte vorgehen, um alle militärischen und staatlichen Strukturen der Hamas zu zerstören“, konnten nicht eingehalten werden.

Vorgehen sorgte für berechtigte Kritik an Israel

Im Gegenteil: Israels Vorgehen – die völlige Blockade von Hilfsgütern, die Toten nahe den Verteilstellen der gerade erst etablierten Gaza Humanitarian Foundation, die vielen Luftangriffe und anhaltende Tötung von Zivilisten – sorgte berechtigterweise für massive internationale Kritik. Und trugen zu einer sich ausweitenden diplomatischen Isolierung Israels bei. In dem nun geleakten Dokument wird diese Analyse bestätigt: Die Offensive habe weder das Ziel erreicht, die Hamas zu stürzen, noch die Geiseln zu befreien.

Im Dokument steht laut Times of Israel sogar: „Israel hat jeden möglichen Fehler gemacht.“ So habe das Militär immer wieder in denselben Gebieten operiert. Außerdem hätten „Personalengpässe, Materialerschöpfung und mangelnde Vorbereitung auf den Guerillakrieg“ zum Scheitern der Operation geführt.

Der Militäranalyst Seth Frantzman schreibt dazu auf X: Letztlich sei das Problem eine mangelnde Strategie seitens der israelischen Politik. Die Armee sei kein Zauberstab. „Sie braucht eine Strategie. Sonst wird sie sich wie Löwen unter der Führung von Eseln abmühen“, so Frantzman.

„Freiwillige Ausreise“ aus Gaza für 5.000 US-Dollar

Apropos Strategie: Für Aufsehen sorgte am späten Sonntag auch ein Bericht der Washington Post über einen ihr vorliegenden Plan der US-Regierung unter Präsident Donald Trup für den Gazastreifen nach dem Ende des Krieges. Das Dokument mit dem Untertitel „Vom zerstörten iranischen Stellvertreter zum prosperierenden abrahamitischen Verbündeten“ ist online einsehbar.

Der Plan sieht eine „vorübergehende Umsiedlung“ aller mehr als 2 Millionen Einwohner Gazas vor – entweder durch eine „freiwillige“ Ausreise ins Ausland oder in gesicherte Sperrzonen innerhalb Gazas. Wer sich für die Ausreise entscheidet, soll 5.000 US-Dollar in bar sowie vier Jahre lang Zuschüsse für das Leben andernorts erhalten.

Derweil hat am Montag der 500 Mitglieder starke „Internationale Bund der Genozid-Forscher“ eine Resolution verabschiedet, nach der die rechtlichen Kriterien für einen Völkermord Israels im Gazastreifen erfüllt seien.

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