Krieg anderswo: Vertreibung im Südirak
■ Alle denken an das Kosovo. Unsere Serie erinnert an Konflikte in aller Welt. Teil 35
Iraks Staatschef Saddam Hussein ist ein Meister der rhetorischen Überhöhung seiner Untaten. Der „Gewinnung von Ackerland“ und der „Befreiung aus Rückständigkeit“ diene ein seit 1992 forciertes Projekt zur Trockenlegung der Marschen im Südirak. Über Dämme und Kanäle, die Namen wie „Treue zum Führer“ und „Mutter aller Schlachten“ tragen, wird das Wasser abgegraben.
Menschenrechtsorganisationen werfen dem Regime vor, die Gewässer mit giftigen Substanzen zu verseuchen und damit den BewohnerInnen die Lebensgrundlage zu entziehen. Gleichzeitig verfolgt Bagdad eine systematische Vertreibungspolitik gegenüber den dort ansässigen Schiiten. Um die Bevölkerung zum Verlassen ihrer Dörfer zu zwingen, werden diese mit Artillerie beschossen und angezündet. Zudem werden Bewohnern die Lebensmittelkarten entzogen, die sie zum Bezug von UN-Hilfe berechtigen. Mehrere 10.000 Menschen wurden in eigens errichtete Konzentrationsstädte deportiert, über 50.000 sind in den Iran geflohen.
Mit ihren verästelten Kanälen und dem hohen Schilfbewuchs bieten die Marschen nicht nur bedrohten Tierarten ein ideales Refugium, sondern auch der Guerilla. War es bis in die 80er Jahre vor allem die Kommunistische Partei, die unter der armen Bevölkerung starke Unterstützung genoß, so sind es heute verschiedene religiöse Organisationen. Bagdad begegnet dem mit Verhaftungen und Hinrichtungen der nicht willfährigen Notablen und Mullahs.
Zum Schutz der irakischen Schiiten errichten US-Amerikaner, Briten und Franzosen südlich des 32. Breitengrads eine Flugverbotszone, fortgesetzt werden irakische Stellungen bombardiert. Unterdessen zeigen Satellitenbilder, daß 60 Prozent des einzigartigen Ökosystems vernichtet sind. Rund zwei Drittel der Bevölkerung sind mittlerweile deportiert, vertrieben, verhaftet oder ermordet. Inga Rogg
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