Kreationismus: Europarat schwächt Darwins Lehre
Der Versuch, den Kreationismus aus Europas Schulen zu verdammen, scheitert vorerst im Europarat. Berichterstatter Lengagne sieht "die Weichen für eine Rückkehr ins Mittelalter gestellt"
BERLIN taz/epd Eigentlich sollte der Europarat diese Woche über den zunehmenden Einfluss der Kreationisten im Bildungssystem diskutieren. Daraus wurde jedoch nichts: Eine knappe Mehrheit des Europarats, 63 von 119 Mitgliedern, lehnte den vom französischen Sozialisten Guy Lengagne vorgelegten Bericht über "Die Gefahren des Kreationismusses in der Bildung" ab. Zu "unausgewogen" sei der Bericht, den Lengagne im Auftrag des Ausschusses für Kultur, Bildung und Wissenschaft des Europarats ausgearbeitet hatte, verteidigte der belgische Christdemokrat Luc van den Brande das ablehnende Votum. Der Bericht wurde zurück an den Ausschuss verwiesen.
Vor allem die christdemokratischen Vertreter in der parlamentarischen Versammlung lehnten den Bericht entschieden ab. Lengagne hatte gefordert, dass kreationistische Vorstellungen nur im Religionsunterricht behandelt werden sollten. Lange Zeit war der Kreationismus nur ein US-amerikanisches Thema. Dort versuchten die Kreationisten ihre Vorstellungen über die Entstehung der Welt vor allem im Schulunterricht fest zu etablieren. Die Kreationisten lehnen die auf Darwin basierende Evolutionstheorie ab, nach der die heute existierenden Pflanzen und Tiere durch zufällige genetische Veränderungen im Laufe von Jahrmillionen entstanden sind. Die Kreationisten sind von der in der Bibel beschriebenen Schöpfungsgeschichte überzeugt. Für sie hat Gott die Welt und die in ihr lebenden Geschöpfe geschaffen.
Anlass für den Befassung des Europarats mit dem Thema Kreationismus waren die zunehmenden Versuche von Politiker und Regierungsvertretern in zahlreichen europäischen Staaten auch in ihren Schulen den Kreationismus zu lehren. Auch in Deutschland, in Hessen zum Beispiel gab es Forderungen die Schöpfungsgeschichte im Fach Biologie zu behandeln.
Nach der Abstimmung im Europarat äußerte sich der Berichterstatter Lengagne geschockt: Er sehe darin ein Manöver derjenigen, die mit allen Mitteln die Evolutionstheorie bekämpfen und ihre kreationistischen Vorstellungen durchsetzen wollten, sagte der Franzose. "Wir erleben hier, wie die Weichen für eine Rückkehr ins Mittelalter gestellt werden, und zu viele Mitglieder dieser Menschenrechtsversammlung bemerken es nicht", erklärte er.
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