Zu hohe Ausgaben: Krankenkassen im Notfallmodus
Da muss die neue Bundesgesundheitsministerin gleich ran: Die Lage der gesetzlichen Krankenkassen spitzt sich weiter zu. Drohen noch höhere Beiträge?

Kaum im Amt, muss sich die neue Bundesgesundheitsministerin mit einem Notfall bei einer chronisch kranken Patientin beschäftigen: der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Deren finanzielle Lage verschärft sich seit Jahren, zu Jahresbeginn wurden die Krankenkassenbeiträge deutlich erhöht, um die stetig steigenden Ausgaben zu decken. Nun muss der Bund 800 Millionen Euro Bundeszuschuss vorziehen, um die Kassen vor Liquiditätsengpässen zu bewahren. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) sprach den Medien gegenüber von einer Lage, die noch dramatischer sei als angenommen.
90 Prozent der in Deutschland Krankenversicherten sind gesetzlich versichert – insgesamt rund 75 Millionen Menschen. Weil der allgemeine Beitragssatz der gesetzlichen Krankenkassen von 14,6 Prozent nicht kostendeckend ist, müssen die Kassen Zusatzbeträge erheben. Diese sind aktuell so stark angestiegen wie noch nie, rund 0,8 Prozent mehr vom Gehalt müssen Versicherte und Arbeitgeber nun für die Krankenversicherung berappen.
Hintergrund sind vor allem der (politisch und gesellschaftlich gewollte) Anstieg von Kosten bei Löhnen und Gehältern im Gesundheitsbereich sowie bei Medikamenten und anderen Sachkosten. Die Kosten für die medizinische Versorgung der Versicherten steigen entsprechend, die Einnahmen aus den Beiträgen der Versicherten halten damit nicht Schritt. Im vergangenen Jahr sind laut GKV-Spitzenverband die Ausgaben der Krankenkassen um 7,8 Prozent gestiegen, die Einnahmen jedoch nur um 5,3 Prozent. Auch die Transformationskosten für die im vergangenen Jahr beschlossene Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft soll zum Teil aus den Krankenkassenbeiträgen finanziert werden. Der GKV-Spitzenverband warnt seit Monaten davor, dass noch drastischere Beitragserhöhungen drohen könnten.
Der Koalitionsvertrag der neuen Regierung widmet sich ebenfalls der finanziellen Situation der gesetzlichen Krankenversicherung. Angekündigt ist die Einrichtung einer Kommission, die bis zum Frühjahr 2027 konkrete Maßnahmen zur Stabilisierung vorschlägt.
„Die Lösung der Finanzprobleme auf die Ergebnisse einer Reformkommission im Jahr 2027 zu schieben, verkennt den Ernst der Lage“, heißt es dazu von Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbands. Die bundesweite Vertretung der gesetzlichen Krankenkassen fordert schnellstmöglich ein Ausgabenmoratorium – also ein Aussetzen jeglicher weiterer Kostensteigerungen – „bis durch geeignete Strukturreformen Einnahmen und Ausgaben wieder in ein Gleichgewicht gebracht worden sind“.
Gesundheitsministerin Nina Warken kündigte immerhin an, schnell zu handeln, um Beitragssatzsteigerungen zum Jahresende zu vermeiden.
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