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KrankenhausreformProgressive Pläne

Manuela Heim
Kommentar von Manuela Heim

Lauterbach verspricht eine Krankenversorgung mit qualitätsentsprechender Vergütung. Großartig - wenn nur die Länder nicht noch auf die Bremse treten.

Müssen sich um eventuelle Arbeitslosigkeit keine Sorgen machen: junge Auszubildende in Pflegeberufen Foto: Jörg Carstensen/dpa

D ie Krankenhausreform soll bis Ende Juni zwischen Bund und Ländern abgestimmt sein. Wenn sie nicht weiter verwässert wird, dann wäre das sensationell.

Fangen wir mit dem Positiven an: Wenn das, was Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Donnerstagnachmittag als „Durchbruch“ in Sachen Krankenhausreform präsentierte, tatsächlich kommt – das wär schon was. Dann geben wir künftig nicht nur im internationalen Vergleich besonders viel Geld für unser Krankenhauswesen aus. Sondern bekommen dafür vielleicht auch endlich eine Versorgung, die bundeseinheitlichen Qualitätskriterien entspricht.

Ein Großteil der Bevölkerung mag davon ausgehen, es sei eine Selbstverständlichkeit, dass ein Krankenhaus, das zum Beispiel Krebsbehandlungen anbietet, dafür auch besonders qualifiziert ist, die Be­hand­le­r*in­nen besonders erfahren sind. Die schmerzhafte Wahrheit ist: In einem zertifizierten Krebsbehandlungszentrum ist die Überlebenswahrscheinlichkeit bis zu 26 Prozent höher; es dürfen aber nicht nur zertifizierte Krebsbehandlungszentren Krebsbehandlungen anbieten. Bei anderen Erkrankungen – etwa Schlaganfällen – ist es ähnlich.

Es werden Krankenhäuser schließen müssen wegen der Reform, sagen die Gegner*innen. Das klingt doch nicht nach Verbesserung, sondern nach Verschlechterung der Qualität. Richtig. Die nächste, auch nicht schmerzfreie Wahrheit ist: Mit der Reform werden Krankenhäuser und Abteilungen schließen. Und ohne die Reform auch. Für alles andere wird schon in den kommenden Jahren – Babyboomer gehen in Rente, Menschen werden älter und behandlungsbedürftiger – das zunehmend ausgedünnte Personal nicht reichen.

Es wird teuer

Es gibt aber tatsächlich die Chance, dass mit diesem Prozess eine Verbesserung der Qualität einhergeht. Wenn es gut läuft, dann kriegen wir eine Reform, mit der Krankenhausleistungen nur noch dann finanziert werden, wenn sie bestimmten Qualitätskriterien entsprechen. Mit der Menschen für bestimmte Behandlungen zwar weiter fahren müssen, aber dann eben auch besser behandelt werden als bisher.

Und nun das „Aber“. Seit Dezember verhandeln Bund und Länder über die Reform. Bis Ende Juni sollen noch fehlende Details abgestimmt sein. Die Länder – die zwar furchtbar gern mitbestimmen, aber trotz Verpflichtung gar nicht so gern mitfinanzieren wollen – haben der Reform bis dahin gewiss schon einiges in Sachen Definition der Qualitätskriterien, Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen abgetrotzt. Und dann kommt ja erst noch die Abstimmung mit dem Kabinett.

Klar ist schon jetzt: Die Transformation des Krankenhauswesens wird Geld kosten, das Finanzminister Christian Lindner (FDP) bekanntermaßen bei Vorhaben der Koalitionspartner besonders festhält.

Diese Reform der Krankenhausvergütung wird sich daran messen müssen, ob sich damit nicht nur die Finanzsituation der Krankenhäuser entspannt, sondern vor allem die Qualität der Versorgung verbessert. Das hat Lauterbach versprochen, und das betonen auch die Länder.

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Manuela Heim
Gesundheit und Soziales
Redakteurin in der Inlandsredaktion, schreibt über Gesundheitsthemen und soziale (Un-) Gerechtigkeit.
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2 Kommentare

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  • Was Herr Lauterbach als “Qualitätsbonbon” verspricht, ist real eine Luftnummer, man denke an die unendlich anmutenden Versprechungen deutscher Politik seit Erfindung des Grundgesetzes.

    Fakt ist:



    Immer mehr bürokratischer Aufwand sorgt für immer weniger Zeit am Patienten, und zwar unabhängig von fehlenden Fachkräften. Steigende Krankenkassenbeiträge stehen dahingehend für eine seit Jahren abnehmende Versorgungsqualität. Fragt man Ärzte, Krankenschwestern, Altenpfleger ..— die Antworten weisen in die gleiche Richtung,

    Privatisierungen im Gesundheitssystem, Einführung von sogenannten Kopfpauschalen, die Lauterbach übrigens lauthals befürwortete - alles folgenschwere Fehler.

    Schließung von Krankenhäusern / Krankenhausabteilungen führt nach Adam Riese keineswegs zu einer besseren Versorgung, wie das “Qualitätsmanagement” à la Lauterbach nun Glauben machen will, denn:



    manche Krankheiten erfordern eine schnelle Versorgung und nicht jede*r verfügt über einen Privathelokopter, der einen ins weit(er) entfernte Krankenhaus fliegt.



    (…vielleicht ist das eine zukünftige Aufgabe vin “KI”, oder sollte man gleich “K-Ohhh” sagen…? ;-)

    Was sich seit Amtseinführung dieses Gesundheitsminister an wahrhaft enttäuschenden Entscheidungen summierte, gipfelt nun und wiederholten Male in einem “Versprechen”.

    Danke, Herr Lauterbach, ich “habe fertig”!

    Noch kann ich eins und eins zusammenzählen. Gesalzene Fehler würden mich den Job kosten, Falsche Versprechen kann ich mir nicht leisten. Auf Sie hingegen wartet eine lebenslange beste Versorgung. Herr Spahn ist Ihnen bereits mit “gutem Beispiel”vorangegangen und (sogar) Millionär…

  • "Krankenversorgung mit qualitätsentsprechender Vergütung."



    Was ist denn das? Entspricht die Versorgung der Vergütung, oder ist das nur ein Satz ohne Sinn?

    Die Kosten im medizinischen Bereich werden von zwei wesentlichen Faktoren getrieben, der Dermographie und dem medizinischen Fortschritt.



    Mehr Menschen werden älter und mit zunehmenden Alter steigt die Wahrscheinlichkeit zu erkranken, das gilt für Gefäß/Herz-Kreislauf, Diabetes und natürlich Demenzerkrankungen.



    www.destatis.de/DE...nten-eckdaten.html

    Da geht es nicht um besondere Verfahren, sondern um die Behandlung von Leiden, die sich aus Arbeit, Lebensumständen und Alter ergeben. Hier sei auch auf den Zusammenhang von Armut, Bildung und Krankheit verwiesen.



    Das Krankenhaus, das dem und dem multimorbiden Patienten gerecht wird, muss also vor Ort bleiben, auch weil die "pflegenden Angehörigen" als Ressource genutzt werden sollen.



    Auch und gerade der Schlaganfall braucht Behandlung in den ersten 30 min, da geht es nicht um Wahl, sondern um Aufnahme. Ein gleiches für die Entbindung, glücklich wer im Zeitplan bleibt, aber was machen die anderen? Einen Kurs für den Notfall?

    Es geht nicht um das spezialisierte Zentrum, mit den Spezialisten für die gezielte Behandlung, das gibt es ja jetzt schon. Es geht um das alltägliche, die chronische Erkrankung, den Zustand zwischen nicht gesund und noch nicht schwer erkrankt, oder Tod.



    Hier gibt Bertelsmann den Ton vor, BWL statt Mensch.