piwik no script img

Krankenhauskonzern VivantesSollen sie doch laufen

Mit Vivantes weigert sich ausgerechnet eines der größten Landesunternehmen, seinen Beschäftigten ein rabattiertes Deutschlandticket anzubieten.

ÖPNV-Mitarbeiter:innenrabatte? Bei Vivantes Fehlanzeige Foto: Schöning/Imago

Berlin taz | Die Senatsfinanzverwaltung weiß nur Lobendes über das auf 34,30 Euro und weniger rabattierte „Deutschlandticket Job“ zu sagen. Das extra für Berufstätige eingeführte Sonderangebot schaffe „einen finanziellen Anreiz“ für die Nutzung des ÖPNV. Es leiste „einen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz“. Vor allem aber trage das Ticket zur Attraktivität von Unternehmen bei – nicht ganz unwichtig in Zeiten des Fachkräftemangels.

Umso erstaunlicher ist es, dass sich ausgerechnet der Krankenhausbetreiber Vivantes als eines der größten Landesunternehmen Berlins weigert, seinen mehr als 13.000 Beschäftigten das ermäßigte 49-Euro-Ticket anzubieten. Das geht, ebenso wie das Lob auf das Sonderticket, aus einer noch unveröffentlichten Antwort der Finanzverwaltung auf eine Schriftliche Anfrage der Grünen-Abgeordneten Oda Hassepaß hervor, die der taz vorliegt.

Zur Begründung verweist Vivantes gegenüber dem Haus von Finanzsenator Stefan Evers (CDU) auf „die durch den Zuschuss entstehenden Kosten“, die „wegen der Größe des Unternehmens als sehr hoch einzuschätzen und nicht durch die Kostenträger finanziert“ seien.

Tatsächlich ergibt sich der Beschäftigtenrabatt auf das 49-Euro-Ticket durch Zuschüsse der Ar­beit­ge­be­r:in­nen und einen zusätzlichen staatlichen Bonus, wobei der Firmenobolus steuerlich auch noch absetzbar ist. Vivantes interessiert das wenig. Schuld sei der Kostenträger – und das ist hier der Senat, so die Argumentationslinie des Unternehmens.

Grüne sehen Wirtschaftssenatorin Giffey in der Pflicht

Ein Unding, findet Grünen-Politikerin Oda Hassepaß. Auch die fehlende Grundfinanzierung durch den Senat führe nun dazu, dass die Krankenhausbeschäftigten, „die vor vier Jahren während der Coronapandemie für ihr herausragendes Engagement beklatscht wurden und immer noch Außergewöhnliches leisten, keine Wertschätzung in Form bezuschusster Deutschlandtickets erhalten“, sagt die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen zur taz.

Wie die Antwort der Finanzverwaltung auch zeigt, gehen fast alle anderen größeren Unternehmen mit Landesbeteiligung auch ohne Senatsfinanzierung einen anderen Weg und bieten ein Jobticket an. Und das kommt demnach auch gut an.

So greift bei den Berliner Wasserbetrieben gut ein Drittel der über 5.000 Mit­ar­bei­te­r:in­nen auf das Angebot zurück. Bei der mit rund 500 Beschäftigten deutlich kleineren Messe Berlin sind es fast 60 Prozent. Unter den etwa 950 Mit­ar­bei­te­r:in­nen der Berliner Immobilien-Management BIM nutzen sogar gut 90 Prozent das Ticketangebot.

Verkehrsexpertin Hassepaß sieht im Fall von Vivantes die für die Landesbetriebe zuständige Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) in der Pflicht. Giffey, so Hassepaß, sollte hier „schnellstens nachbessern, damit Vivantes dem raren Personal in der Gesundheitsversorgung ein Angebot machen kann“.

Wackelkandidat 29-Euro-Ticket für alle

Dass Franziska Giffey dieser Aufforderung nachkommt, darf bezweifelt werden. Schließlich setzt die Noch-Landeschefin der Berliner SPD nach wie vor darauf, dass im Sommer ihr zentrales Versprechen aus dem Wahlkampf zur Abgeordnetenhauswahl 2023 eingelöst wird: das 29-Euro-Ticket für alle.

Zur Wahrheit gehört: Selbst in der schwarz-roten Koalition nimmt nach taz-Informationen die Zahl der Be­für­wor­te­r:in­nen des Giffey-Tickets immer weiter ab. Die angespannte und sich absehbar verschlechternde Finanzlage des Landes Berlin, so der Tenor, lasse es kaum zu, millionenschwere Sonderwünsche wie das 29-Euro-Ticket zu erfüllen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Der Staat als Arbeitgeber...

  • Meine Krankenkassebeiträge sind nicht dazu gedacht,den ÖPNV zu sanieren .

  • Anstatt über Bezuschussung eines Tickets zu diksutieren, was unfair wäre, denn nicht alle Mitarbeiter kommen mit Bus und Bahn, sollte man lieber über höhere Löhne für ALLE Mitarbeiter reden, das wäre fair und ehrlich

  • Das Land NRW bietet seinen Angestellten und Beamten übrigens auch kein vergünstigtes D-Ticket an und für Kinder und Jugendliche ist es vonnohrer Kommune abhängig, ob sie ein vergünstigtes Ticket erhalten.



    Es stellen sich mir folgende Fragen:



    1. wie wird gerechtfertigt, dass Arbeitnehmer von Förderwilligen Betrieben einen staatlichen Zuschuss erhalten, der allen anderen Angestellten, Selbstständigen und nicht Erwerbstätigen vorenthalten wird, insbesondere in Anbetracht dessen, dass von ihren Betrieben Geförderte ja eh schon weniger zahlen und es durch die Steuerliche Absetzbarkeit für die Unternehmen eh schon eine staatliche Beteiligung gibt.



    2. Wieso ist man bei Minderjährigen so knauserig, und verzichtet nicht ganz auf ein Beförderungsentgelt oder reduziert es zumindest ohne Ansehen der Wohnorts auf einen deutlich günstigeren Preis. Es kann doch nicht sein, dass ein Erwerbstätiger eines förderwilligen Unternehmens 33% weniger für sein Ticket zahlt als für die Tickets seiner schulpflichtigen Kinder.

  • Hoffentlich können die Beschäftigten bei vivantes dann auch kein Fahrrad-Leasing per Entgeltumwandlung nutzen. Denn dadurch würde vivantes Sozialabgaben und somit Personalkosten sparen, die der Konzern nicht an den Senat zurückzahlen müsste.