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Kranichsterben in IsraelVogelgrippe auf dem Vogelzug

Das H5N1-Virus verbreitet sich derzeit rasant – in Geflügelbetrieben und unter Wildvögeln. Besonders betroffen: Israel. Warum?

Kranker Kranich versucht über den Hula-See zu fliegen Foto: Ariel Schalit/ap

Tel Aviv taz | „Dieses Desaster ist menschengemacht“, sagt Yoram Yom-Tov, emeritierter Professor für Zoologie an der Universität Tel Aviv, am Telefon. Der Anlass: In Israel tobt die Vogelgrippe H5N1 derzeit noch stärker als in anderen Ländern, und Yom-Tov betrachtet das mit großer Sorge.

Normalerweise bietet der Winter an den Hula-Seen im Norden Israels ein Naturspektakel ohnegleichen. Denn dann ziehen Tausende Kraniche, die hier Zwischenstation auf ihrer Reise nach Afrika machen, majestätisch ihre Bahnen. In diesem Jahr aber liegen viele von ihnen bewegungslos im Wasser, einer taumelt noch, dann fällt auch er und bleibt liegen – Bilder wie diese sieht man seit einer guten Woche im israelischen Fernsehen. Rund 5.500 Kraniche sind bereits an der Vogelgrippe gestorben.

Dass einige Zugvögel hier an dem Virus sterben, ist nichts Neues, ein Ausbruch in diesem Ausmaß jedoch beispiellos. Umweltministerin Tamar Zandberg spricht von einem der „schlimmsten Schläge gegen die Tierwelt in der Geschichte Israels“.

Die ersten Ausbrüche in dieser Saison gab es bereits im Oktober in einem Legehennenbetrieb im Dorf Nahalal, im Norden Israels. Ob der Virus von dort auf die Zugvögel übertragen wurde oder die Zugvögel den Virus aus anderen Ländern mitgebracht haben, ist schwer zu beantworten. Fest steht, dass der Erreger längst auf zahlreiche weitere Hühnerbetriebe übergesprungen ist. Hunderttausende Tiere wurden gekeult, um zu verhindern, dass sich H5N1 weiter ausbreitet und womöglich auf Menschen überspringt.

Menschlicher Einfluss

„Die Katastrophe hätte verhindert werden können“, sagt Yom-Tov. „Eines der zentralen Probleme ist die Anfütterung der Vögel.“ Seiner Einschätzung nach begann das Problem mit der Trockenlegung der Sümpfe im Hula-Tal in den 1950er Jahren. „Ein großer Fehler des Jewish National Funds“, so der Zoologe. Dabei sei „ein einzigartiges Habitat für Pflanzen und Tiere im ganzen Nahen Osten zerstört“ worden.

Als das Gebiet ab den 1990er Jahren wieder bewässert wurde, entstand der künstliche Hula-See. Bauern in der Umgebung bauten Erdnüsse und Kichererbsen an, damit wurde das Gebiet für Kraniche attraktiv. Hatten lange nur einige Dutzend Kraniche auf ihrer Reise ins Sommer- und Winterquartier Israel passiert, stieg ihre Zahl nun schlagartig an. Mittlerweile kommen jährlich Zehntausende in die Hula-Ebene. Um sie vom Ackerland fernzuhalten, begann man, die Vögel mit Mais zu füttern.

Besonders problematisch daran ist laut Yom-Tov, dass das auf sehr kleinem Gebiet geschieht. „Krankheiten breiten sich in dieser dichten Bevölkerung extrem schnell aus – genauso wie Corona“, so der Experte. Außerdem unterbreche die Fütterung die Migrationsroute, die normalerweise weiter zur Seenkette des Rift Valley und zum äthiopischen Tanasee führt. Viele Kraniche ziehen inzwischen gar nicht erst weiter.

Birdwatching für Anfänger

Auch der Tourismus trägt seinen Teil zu dem Problem bei. Der Park um den Hula-See wurde zu einem Hit. Schätzungen zufolge bringen Kranichtouren und -beobachtungen der lokalen Bevölkerung umgerechnet rund 30 Millionen Euro ein. Es entstand ein Teufelskreis. Um sicherzustellen, dass die Touristen weiterhin in den Park kommen, musste man dafür sorgen, dass es Kraniche gab. Dafür musste man sie füttern. „Was der Jewish National Fund noch an diesem Nachmittag an seinem Konzept ändern kann, ist: die Kraniche auf einem viel größeren Gebiet füttern, um die Konzentration auf einem Punkt zu verhindern“, sagt Yom-Tov.

Die Gefahr, dass das H5N1-Virus nun mit den Vögeln in die Winter- und Sommerquartiere weitergetragen wird, hält nicht nur der Zoologe für recht hoch. „Die weite Verbreitung der Vogelgrippe ist sehr besorgniserregend“, zitierten Medien vergangene Woche den israelischen Epidemiologen Amnon Lahad. „Vor allem, weil sie nicht nur Wildvögel, sondern auch Hühner befällt. Sie hat den Sprung zwischen Wildtieren und Nutztieren geschafft, und ich hoffe, dass sie nicht den nächsten Schritt zum Menschen macht.“

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