Kraftstoff im Libanon: Ziemlich dicke Luft
Der Libanon subventioniert kein Benzin mehr. Kraftstoff ist dort überlebenswichtig, zur Stromgewinnung nutzen ihn Staat wie Privathaushalte.
1 Liter für 91 Cent – das ist nach internationalen Maßstäben extrem günstig, bedeutet jedoch steigende Preise für die informellen Busse und Taxen. Denn im Libanon gibt es keinen öffentlichen Nahverkehr, auch keine Züge. Für viele öffentliche Bedienstete, darunter Lehrkräfte und das Militär, übersteigen die monatlichen Fahrtkosten ihre Gehälter.
Denn das Land befindet sich in einer schweren Wirtschaftskrise, seit drei Jahren sinkt der Wert der lokalen Währung stetig. Lebensnotwendige Güter wie Benzin, Medizin und Lebensmittel werden importiert – ihr Preis richtet sich nach dem globalen Markt. Der libanesischen Zentralbank fehlen die Reserven an Devisen, um nötige Subventionen für diese Güter zu bezahlen.
Nun gibt es keinen Preisnachlass mehr auf Benzin – aber auch keine Knappheit. Denn vergangenen Sommer, als das Benzin komplett subventioniert wurde, hielten Tankstellenbetreiber*innen den Kraftstoff zurück, um ihn bei Aufhebung der Subventionen teurer zu verkaufen. Andere verkauften das subventionierte Benzin zum globalen Marktpreis in Syrien weiter. An den Tankstellen bildeten sich wegen der künstlichen Knappheit lange Schlangen.
Das Energieministerium bestimmt die Preise
Im Oktober 2021 beschloss die Regierung dann, den Großteil der Subventionen aufzulösen. Seitdem bestimmt das Energieministerium die Kraftstoffpreise. Das hatte zuletzt 20 Prozent des Preises in der sogenannten Sayrafa-Rate angesetzt. Dieser Wechselkurs – von libanesischer Lira zu der Importwährung US-Dollar – ist etwas niedriger als der des Parallelmarkts. Jetzt wird das Benzin komplett zu Preisen des Parallelmarktes verkauft.
Der Generaldirektor für Erdöl im Energieministerium sagte, dass es zwei Preisaktualisierungen an einem Tag geben könne, wenn es zu erheblichen Schwankungen des Wechselkurses und der internationalen Rohölpreise kommt. Für Tankstellenbetreiber*innen ist das eine Erleichterung – sie müssen sich nicht mehr an die Zentralbank wenden, um umständlich an die Subventionen zu kommen.
Kraftstoff ist im Libanon lebensnotwendig – besonders Diesel. Weil der Staat pleite ist, liefert die staatliche Strombehörde kaum noch Strom. Seit Jahrzehnten wurde kein neues Kraftwerk mehr gebaut. Mehrere Pläne scheiterten an Interessenskonflikten in den politischen Lagern oder Korruption. Die alten Schwerölkraftwerke können den Bedarf schon lange nicht mehr decken.
Deshalb kommt der Strom aus Generatoren, die auf Gehwegen oder in Häuserkellern stehen – und eigentlich Notstromaggregate sind. Ohne sie würden die Menschen im Dunkeln sitzen – das nutzen die Betreiber*innen finanziell aus. Die monatliche Stromrechnung für ein Gerät mit nur 5 Ampere liegt zwischen 80 und 130 Euro. Damit lassen sich nicht mal Waschmaschine und Klimaanlage parallel nutzen.
Die Generatoren verpesten die Luft
Der schwüle Sommer im Libanon ist begleitet vom Summen der Generatoren und ihren schwarzen Partikeln, die sie in die Luft schleudern. Die Generatoren verpesten die Luft mit Schadstoffen, sind aber lebensnotwendig geworden. Denn selbst Krankenhäuser müssen ihren Strom mit Dieselgeneratoren selbst produzieren.
Zu den Partikeln gesellt sich nun der Schmutz der staatlichen Generatoren. In den sozialen Medien verbreiteten sich Bilder von dickem, schwarzen Smog. Der Staat kämpft mit der Energieproduktion, im vergangenen Jahr kam ausschließlich Schweröl aus dem Irak zum Einsatz, um die Kraftwerke am Laufen zu halten.
Nun haben sich die Lieferungen verzögert. Der libanesische Ministerpräsident Najib Mikati und sein Energieminister Walid Fayad haben daher am Freitag genehmigt, die alten Anlagen mit 40.000 Tonnen minderwertigem Brennstoff zu betreiben. Dieser lagerte seit Monaten in den Stromwerken. Der Strom soll an staatliche Einrichtungen wie den Hafen, den Flughafen und die Wasserstation von Beirut gehen.
Das Energie- und Wasserministerium und die Strombehörde entschuldigten sich für die Umwelt- und möglichen Gesundheitsschäden bei den Anwohnenden. Man wolle die „totale Dunkelheit“ vermeiden.
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