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Kraftprobe für Nicaraguas Regierung

Mit Straßenblockaden protestieren die oppositionellen Sandinisten gegen die Wirtschaftspolitik des rechten Präsidenten Arnoldo Alemán. Der will die Barrikaden jetzt räumen lassen  ■ Von Ralf Leonhard

Berlin (taz) – Innenminister José Antonio Alvarado hat am Mittwoch Spezialtruppen der Polizei im Armeehubschrauber zum Einsatz in den Süden Nicaraguas transportieren lassen. Seit Montag blockieren dort Demonstranten die Landstraße und damit den Fernverkehr aus und nach Costa Rica.

Auch Nicaraguas Hauptstadt Managua ist mit Straßensperren aus brennenden Reifen und Barrikaden aus Pflastersteinen abgeriegelt, es droht ein Versorgungsengpaß. Bauern, Studenten, Arbeiter, Staatsangestellte und Transportarbeiter protestieren so, unterstützt und angeleitet von den oppositionellen Sandinisten, gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung. Die Demonstranten wollen sich von den Räumungsdrohungen nicht beeindrucken lassen und die Proteste aufrechterhalten.

In den hundert Tagen, die neuen Präsidenten normalerweise als Schonzeit eingeräumt werden, ist es dem ultrarechten Präsidenten Arnoldo Alemán gelungen, fast alle gegen sich aufzubringen. Anfang April empörte er Tausende von Bauern, als er eine „neue Agrarreform“ versprach und jene, die während der sandinistischen Agrarreform Land bekommen hatten, als „falsche Genossenschafter“ bezeichnete.

Im März erklärte der neue Direktor des Agrarreforminstituts (Inra), Jorge Castillo Quant, 14.000 der 1990 in allerletzter Minute vor der Amtsübergabe der Sandinisten an die konservative Präsidentin Violeta Chamorro ausgestellten Agrarbesitztitel könnten annulliert werden. Weil wegen der Fülle der Transaktionen das Amtspapier des Finanzministeriums ausgegangen war, hatte man Fotokopien benützt und es unterlassen, die Genehmigung des Finanzministers einzuholen.

Angestellte des Inra haben Pläne entdeckt, wonach die nach der Revolution enteigneten Günstlinge des Diktators Somoza ihre Güter zurückbekommen sollen. Camilo González, General der somozistischen Nationalgarde, bekam bereits 1,5 Millionen Dollar Entschädigung zugesprochen. Der Somoza-Vertraute Francisco Argeñal Papi konnte einen Haftbefehl gegen die auf seinem enteigneten Grund arbeitenden Genossenschafter erwirken und versucht seine Ansprüche noch vor der Entscheidung des Inra mit Gewalt durchzusetzen. Bei ähnlichen Auseinandersetzungen gab es bereits zwei Tote. In der staatlichen Bürokratie, wo 40.000 Angestellte entlassen werden sollen, fürchten vor allem die Sympathisanten der Sandinisten um ihre Posten. Opfer dieser Politik dürfte auch der staatliche Fernsehkanal 6 sein, dessen 136 Mitarbeiter seit Wochen das Lokal besetzen und zumindest die Auszahlung ihrer vollen Abfertigung fordern. Der Sender soll wegen Überschuldung geschlossen werden. Für die Besetzer besteht kein Zweifel, daß Alemán mit diesem Trick seine Parteigänger an die Schalthebel setzen oder den Kanal gar an den Chef der Kubanisch-Amerikanischen Stiftung, Jorge Mas Canosa, verkaufen will.

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