Kosten für mangelnden Klimaschutz: Augen zu und Milliarden zahlen
Deutschland verfehlt seine Klimaziele, deshalb drohen hohe Ausgaben. Aber weder Parlament noch Finanzministerium geht das Problem an.
Der Hintergrund: Weil Deutschland seine EU-Ziele jenseits des Emissionshandels, also bei Verkehr, Landwirtschaft und Gewerbe für 2018, 2019 und 2020 verfehlen wird, muss die Bundesrepublik von anderen Staaten Berechtigungen zum Ausstoß von Treibhausgasen zukaufen. Das kann nach Berechnungen des Thinktanks „Agora Energiewende“ schon 2021 zwischen 600 Millionen und 1,2 Milliarden kosten. Das Umweltministerium rechnet mit einem „niedrigen dreistelligen Millionenbetrag“, heißt es. Der Betrag muss aus dem Umwelt-Etat gedeckt werden und spätestens im Haushalt 2020 eingeplant werden. Derzeit wird über den Haushalt 2019 verhandelt und von zusätzlichen Mitteln für die Klimaschulden ist nicht die Rede.
Richtig teuer kann es aber ab 2021 werden: Wenn Deutschland nicht deutlich weniger CO2 ausstößt als bislang geplant, drohen jährliche Zahlungen an andere EU-Staaten, die sich bis 2030 auf „30 bis 60 Milliarden Euro“ summieren könnten, warnen die Experten. Auf das Thema machen zwei Gutachten von Agora und dem Öko-Institut aus den vergangenen Monaten aufmerksam. Das Öko-Institut ist optimistischer bei der Wirkung von Maßnahmen des Klimaschutzes, kommt aber trotzdem bis 2030 noch auf ein Haushaltsrisiko von fünf bis 30 Milliarden.
Das Finanzministerium gibt sich entspannt: „Würde dieser Fall tatsächlich eintreten“ [dass Deutschland sein 2020er-Ziel verfehlt, woran nicht einmal der Koalitionsvertrag zweifelt, d. Red.], müsste Deutschland CO2-Berechtigungen kaufen, heißt es in der Antwort der parlamentarischen Finanz-Staatssekretärin, Bettina Hagedorn, auf eine Anfrage des grünen Finanzpolitikers Sven-Christian Kindler, die der taz vorliegt. Die Kosten ließen sich allerdings „nicht verlässlich abschätzen“.
„Dickes Minus in der Klimabilanz“
Um die Milliardenzahlungen zu verhindern, die ab 2021 drohen, verweist Hagedorn auf das geplante „Maßnahmenprogramm 2030“, mit dem das Klimaziel von minus 55 Prozent erreicht werden soll und die „entsprechenden europäischen Verpflichtungen eingehalten werden sollen“. Ob das reicht, bezweifeln allerdings viele Experten. Für den Grünen Kindler ist „diese ignorante Haltung der Bundesregierung eine Gefahr für den Bundeshaushalt. Der Haushalt von CDU, CSU und SPD hat ein dickes Minus in der Klimabilanz.“ Kindler fordert, dass die „50 Milliarden umwelt- und klimaschädliche Subventionen etwa für Flugindustrie, Diesel, Plastiktüten und Agrarindustrie konsequent gestrichen werden, um damit ein Sofortprogramm Klimaschutz zu finanzieren.“
Die Abgeordneten, die über den Bundeshaushalt entscheiden, haben sich mit diesen drohenden Ausgaben offenbar auch in der „mittelfristigen Finanzplanung“ für die nächsten Jahre bisher kaum beschäftigt. Das Thema sei im Haushaltsausschuss vereinzelt angesprochen worden, sagte der Vorsitzende Boehringer, „aber es hat dazu keine größere Debatte gegeben.“ Vielleicht werde er sich mit dieser Frage näher befassen, erklärte der AfD-Abgeordnete auf Anfrage.
Damit holt den Politiker ein Thema ein, das Boehringers Fraktion und Partei für kompletten Unsinn halten. Denn dass der Mensch den Klimawandel beschleunige, dessen Bekämpfung nun die deutschen Steuerzahler bedroht, hält die AfD im Parlament für eine „Irrlehre“ und eine „Fantasie grüner Ideologen“, die nur der „Enteignung von Millionen von Autofahrern“ diene.
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