Korruptionsprozess gegen Ex-Präsidentin: Haftbefehl gegen Cristina Kirchner
Argentiniens frühere Präsidentin Cristina Kirchner wird als Kopf einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Ob sie in Untersuchungshaft muss, ist noch offen.
Für Bonadío liegen ausreichend Beweise vor, dass Cristina Kirchner an der Spitze einer kriminellen Vereinigung stand, die in der Amtszeit des 2010 verstorbenen ehemaligen Präsidenten Néstor Kirchner 2003 bis 2007 begann und von ihr als Amtsnachfolgerin bis 2015 weitergeführt wurde.
Die Anklage stützt sich auf die Notizen des Fahrers eines ehemaligen Staatssekretärs. Der Chauffeur hatte seine Fahrten in den Jahren 2005 und 2010 und von 2013 bis 2015 nicht nur penibel mit Abfahrts- und Zielort aufgeführt, sondern auch die Zahl der Taschen und die Summen der darin eingepackten Dollar notiert. Die wurden bei Unternehmen abgeholt und zum Teil zur Präsidentenresidenz oder zur Privatwohnung Néstor und Cristina Kirchners gebracht.
Seit die Notizen Anfang August bekannt sind, machen immer mehr ehemalige Staatsangestellte und Unternehmer von einer Kronzeugenregelung Gebrauch und geben die Zahlung oder den Erhalt von Schmiergeldern zu. Dass Cristina Kirchner die Taschen nicht persönlich in Empfang nahm, entbinde sie nicht von ihrer Verantwortung, so Bundesrichter Bonadío in seiner 550-seitigen Anklageschrift. Den Haftbefehl begründete er damit, Kirchner könne die Ermittlungen aktiv behindern.
Als Senatorin genießt Kirchner Immunität
Kirchner hat die Vorwürfe bisher stets zurückgewiesen. Außer ihr sind weitere 42 Personen angeklagt, darunter ein ehemaliger Bundesrichter und weitere Justizangestellte, ein Ex-Minister sowie einige Ex-Staatssekretäre und Unternehmer. Gegen einige erließ er ebenfalls Haftbefehle.
„Der Vorgang ist ein wichtiger Schritt und legt den sehr geschmierten Mechanismus der Korruption offen“, sagte Justizminister Germán Garavano und forderte eine unverzügliche Klärung. „Es muss so schnell wie möglich festgestellt werden, ob die ehemalige Amtsträgerin schuldig ist“, so Garavano. Zwar sind gegen Cristina Kirchner bereits sechs Anklagen anhängig, doch diesmal könnte es eng werden.
Ob Kirchner tatsächlich in U-Haft kommt, ist offen. Als Senatorin genießt sie Immunität, deren Aufhebung Bonadío noch nicht beantragt hat. Sie ist Teil der Opposition, die im Senat die Mehrheit stellt. Die hat bisher stets betont, dass die Immunität eines Senatsmitglieds erst nach einer rechtskräftigen Verurteilung aufgehoben werde. Doch die Front könnte bröckeln. Erst vor wenigen Wochen stimmte der Senat für eine teilweise Aufhebung von Kirchners Immunität, um Durchsuchungen in ihren drei Wohnungen zu ermöglichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts