Korruptionsaffäre in Südamerika: Wie geschmiert
Im Odebrecht-Skandal wird gegen 83 hohe Politiker ermittelt. Kolumbiens Präsident will von illegalen Spenden nichts gewusst haben.
Eigentlich handelt es sich um das gesamte Establishment in Brasilia: mindestens fünf amtierende Minister, die Präsidenten von Senat und Parlament, einflussreiche Senatoren und Parteichefs der Regierungskoalition sowie die Expräsidenten Dilma Rousseff und Luis Inácio Lula da Silva.
„Wir stehen vor der traurigen Tatsache, dass die Demokratie unter Beschuss steht“, sagte Janot. Er empfiehlt dem höchsten Gericht die Einleitung von insgesamt 83 Strafprozessen. Weitere 211 Verfahren sollen an untergeordneten Gerichten auf den Weg gebracht werden. Grundlage der neuen Flut von Ermittlungen sind über 70 Kronzeugenaussagen von ehemaligen Odebrecht-Managern. Es geht um nicht deklarierte Parteispenden, illegale Wahlkampfspenden, persönliche Bereicherung und Geldwäsche.
Gemeinsam mit anderen Bauunternehmen hat Odebrecht jahrelang Politiker aller Couleur bestochen, um lukrative und meist überteuerte staatliche Aufträge zu ergattern. Zum Beispiel das Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro, das zur Fußball-WM renoviert wurde. Die Stadt fordert jetzt eine Rückzahlung in dreistelligen Millionenhöhe, nachdem Pfusch in der Buchhaltung festgestellt wurde. Der Umbau kostete schließlich fast das Doppelte des Voranschlags.
Brasília reagiert gefasst
Noch ist Janots Liste geheim. Vor einer Veröffentlichung muss sie erst von einem Obersten Richter freigegeben werden. Doch lokale Medien haben schon die brisantesten Fälle recherchiert und veröffentlicht. Demnach steht Präsident Michel Temer zwar nicht auf der Liste, muss aber dennoch mit Strafermittlungen rechnen. Er hatte im Jahr 2014 in seiner Residenz Odebrecht-Manager zum Abendessen geladen und um Wahlkampfhilfen in Millionenhöhe gebeten.
Damals war Temer noch Vizepräsident unter Rousseff. Zwei Jahre später übernahm er ihr Amt, nachdem seine Partei PMDB mit der rechten Opposition ein umstrittenes Amtsenthebungsverfahren durchsetzte. Mehrere der jetzt offiziell verdächtigten PMDB-Größen hatten bereits in einem mitgeschnittenen Gespräch zugegeben, dass Rousseff geschasst wurde, um das „Ausbluten“ der Politikerklasse im Zuge der Korruptionsermittlungen zu stoppen. Zumindest dieses Kalkül ging bislang nicht auf.
R. Janot, Generalstaatsanwalt
Brasília reagierte gefasst, fast überheblich auf den neuen Stand im Korruptionsskandal. Da fast alle Parteien auf der Liste erwähnt wurden und die Zahl der erwähnten Politiker so hoch ist, sei davon auszugehen, dass der Effekt nach diesem Knall schnell wieder verpufft, so die Hoffnung in Regierungskreisen. Zudem wird die Debatte, ob illegale Spenden wirklich illegal sind, munter fortgesetzt. Es soll sogar ein entsprechender Gesetzesentwurf, der viele der Odebrecht-Finanzierungen nachträglich legalisieren würde, wieder aus der Schublade geholt werden.
Auch in Kolumbien zieht die Odebrecht-Affäre die Regierung in Mitleidenschaft. Präsident Juan Manuel Santos entschuldigte sich am Dienstag für eine illegale Wahlkampfspende. Er will nicht gewusst haben, dass im Jahr 2010 eine Millionenauflage von Wahlplakaten von Odebrecht bezahlt wurde, wie zuvor sein damaliger Wahlkampfmanager eingestanden hatte. Bereits seit Anfang Februar prüft die Staatsanwaltschaft Korruptionsvorwürfe gegen Santos, mehrere Oppositionspolitiker und ehemalige Minister.
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