Korruptionsaffäre im Europaparlament: „Katargate“ an einem toten Punkt
Der Ermittlungsrichter zur Korruptionsaffäre im Europaparlament hat die Causa abgegeben. Nun ist unklar, ob der Skandal aufgeklärt werden kann.
Claise reagierte mit seinem überraschenden Schritt auf Hinweise, wonach sein Sohn Nicolas seit 2018 Geschäfte mit dem Sohn einer Verdächtigen, der belgischen Europa-abgeordneten Marie Arena, betreibt. Sie sollen gemeinsam eine Firma gegründet haben, die legale Cannabis-Produkte verkauft. Dies war dem Anwalt eines weiteren Verdächtigen, Marc Tarabella, aufgefallen.
Tarabella hatte daraufhin gefordert, Claise die Ermittlungen zu entziehen. Dieser reagierte prompt. „Kürzlich sind neue Elemente aufgetaucht“, erklärte der auf Finanzaffären spezialisierte belgische Top-Jurist nach Angaben der belgischen Tageszeitung Le Soir. Die Hinweise könnten „gewisse Fragen“ zur Unabhängigkeit der Ermittlungen aufwerfen und seinem Familienleben schaden. Als „Vorsichtsmaßnahme“ habe er den Fall daher abgegeben.
Katar- und Marokkogate – noch ohne Anklage
Damit sind die Ermittlungen zum „Katargate“ an einem toten Punkt angelangt. Bei einer Durchsuchung im Appartement der damaligen Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, waren im Dezember 2022 Koffer voller Geld gefunden worden. Das Emirat Katar, womöglich auch Marokko, sollen versucht haben, EU-Abgeordnete zu bestechen. Zuletzt waren Kaili und andere Verdächtige aus der Haft entlassen worden. Anklage wurde noch nicht erhoben.
Kaili behauptet seit ihrer Haftentlassung, sie sei Opfer eines Komplotts geworden. Auch Tarabella beteuert seine Unschuld. Beide verfügen noch über ihr Abgeordnetenmandat und haben angekündigt, ihre Arbeit im EU-Parlament wieder aufzunehmen. Derweil ist die Aufarbeitung des Skandals im Parlament ins Stocken geraten. Von den angekündigten 14 Reformen ist bisher nur eine einzige umgesetzt worden.
Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hatte nach der Aufdeckung des Skandals eine rigorose Aufarbeitung versprochen. Es gehe um einen „Angriff auf die europäische Demokratie“, sagte sie. Doch zuletzt hatten vor allem konservative Abgeordnete die versprochenen Reformen ausgebremst. Ein Jahr vor der Europawahl im Juni 2024 wird das „Katargate“ zur schweren Hypothek – für die belgische Justiz, aber auch für die europäische Politik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance