Korruption in Bulgarien: Rote Karte aus Washington
Die USA verhängen Sanktionen gegen mehrere Bulgaren samt deren Firmen. Grundlage dafür ist ein Gesetz, das auf Ex-Präsident Obama zurückgeht.
Grundlage für die Strafmaßnahmen, wie zum Beispiel das Einfrieren von Konten, ist der sogenannte Global Magnitsky Act aus dem Jahre 2016. Das Gesetz, das bereits unter US-Präsident Barack Obama auf den Weg gebracht worden war, zielte anfangs auf russische Beamte, die für den Tod von Sergej Magnitzki verantwortlich gewesen sein sollen. Der damals 37-jährige Anwalt war 2009 in einem Moskauer Gefängnis nach schweren Misshandlungen zu Tode gekommen. Neben Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen können weltweit auch Personen mit Sanktionen belegt werden, die sich der Korruption schuldig gemacht haben.
Einer der drei inkriminierten Bulgaren auf der OFAC-Liste ist der Geschäftsmann Wassil Boschkow, einer der reichsten Männer Bulgariens. Der 64-Jährige mit dem Spitznamen Tscherepa („Schädel“), der unter anderem durch Glücksspielgeschäfte zu Geld gekommen war, hatte Bulgarien im Januar 2020 verlassen und hält sich derzeit in Dubai auf. Gegen ihn sind mehrere Klagen im Zusammenhang mit Morden, Geldwäsche und Steuerhinterziehung anhängig.
So soll er in mehreren Fällen Beamte aus dem Umfeld der Regierung bestochen haben. Die von ihm 2020 gegründete Partei Bürgerplattform Bulgarischer Sommer kam bei der Parlamentswahl am 4. April dieses Jahres auf weniger als drei Prozent der Stimmen und verpasste den Einzug ins Parlament.
Auf der schwarzen Liste
Auch der Medienmogul und ehemalige Parlamentsabgeordnete Deljan Peewski sowie der Regierungsbeamte Ilko Zeljaskow, der für das Nationale Büro zur Kontrolle spezieller Mittel für geheimdienstliche Ermittlungen (NBKSRS) tätig ist, stehen auf Washingtons schwarzer Liste. Der 40-jährige Peewski, der für die Partei der türkischen Minderheit Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS) zwei Legislaturperioden im Parlament saß, hielt bis zum vergangenen Jahr große Anteile am bulgarischen Medienmarkt.
Er sei in zahlreiche Korruptionsaffären verstrickt gewesen. Zudem habe er seinen Einfluss geltend gemacht, um wichtige Institutionen und Sektoren in der bulgarischen Gesellschaft zu kontrollieren sowie sich selbst vor Überprüfungen zu schützen, heißt es in einer Stellungnahme des US-Finanzministeriums.
So soll er beispielsweise vor der Kommunalwahl 2019 eine positive Berichterstattung über Politiker im Austausch gegen Schutz vor strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn sicher gestellt haben. Zeljaskow soll bei der Zahlung entsprechender Bestechungsgelder freundschaftliche Hilfe geleistet haben.
In einem Bericht von 2020 bezeichnete Marshall Harris, ein ehemaliger Mitarbeiter des US-Außenministeriums, Peewski als Chef-Oligarchen und als einen Hauptarchitekten des demokratischen Niedergangs in Bulgarien.
Offener Brief
In einer ersten Stellungnahme wies Peewski alle Vorwürfe zurück. In einem offenen Brief, den bulgarische Medien veröffentlichten, bezeichnete er die Sanktionen als „inakzeptabel“. Diese würden dem Buchstaben und dem Geist des Magnitsky-Acts widersprechen und enthielten keinen Funken Wahrheit. „Ich habe keine international anerkannten Menschenrechte verletzt, ich bin kein Staatsbediensteter und nicht an Korruption beteiligt“, schrieb Peewski und kündigte an, mit juristischen Mittel gegen die Strafmaßnahmen vorgehen zu wollen.
Teile der bulgarischen Opposition begrüßten die Sanktionen. „Peewski und Boschkow sind an wichtigen Korruptionsfällen beteiligt, derer man sich annehmen muss. Bojko Borissow (bis zum 21. Mai 2021 Regierungschef in Bulgarien, Anm. d. Red.) muss von der politischen Bühne abtreten“, sagte Hristo Iwanow, Chef der Anti-Korruptionspartei Ja, Bulgarien. Mit dem Oppositionsbündnis Demokratisches Bulgarien (DB) hatte er bei der Parlamentswahl auf Anhieb 9,5 Prozent erzielt.
Diese Sanktionen machten die Notwendigkeit tiefgreifender Reformen einmal mehr deutlich, sagte Maja Manolowa, ehemalige Ombudsfrau und eine der Vorsitzenden des Parteienbündnisses Aufstehen! Mafia raus! (ISMV, 4,7 Prozent bei der Parlamentswahl im April).
Das dürften auch viele Bulgar*innen so sehen. Immerhin war die effektive Bekämpfung der grassierende Korruption bis in höchste Regierungskreise eines der zentralen Anliegen Tausender Demonstrant*innen, die 2020 wochenlang landesweit auf die Straßen gegangen waren. Die Proteste richteten sich auch gegen den damaligen Ministerpräsidenten Bojko Borissow und seine Partei Bürger für eine demokratische Entwicklung Bulgariens (GERB).
Neuwahl im Juli
Bei der Parlamentswahl am 4. April dieses Jahres wurde die GERB mit 26,1 Prozent zwar stärkste Kraft, eine Regierungsbildung scheiterte jedoch. Derzeit führt eine Übergangsregierung die Geschäfte, für den 11. Juli ist eine Neuwahl angesetzt.
Die US-Sanktionen gegen Bulgarien sollten auch die EU auf den Plan rufen. 14 Jahre nach dem Beitritt ist das Balkanland wirtschaftlich immer noch Schlusslicht, führt dafür aber den EU-weiten Korruptionsidex von Transparency International unangefochten an. In Brüssel ist es seit Jahren ein offenes Geheimnis, dass EU-Gelder in Millionenhöhe in die Taschen zwielichtiger Gestalten fließen.
Doch konkret unternommen wurde nichts. Stattdessen hielten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Bundeskanzlerin Angela Merkel stets ihre schützende Hand über Bojko Borissow. Der erfreut sich überdies immer noch eines starken Rückhalts in den Reihen der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP). Doch durch Wegsehen, wie bisher, wird sich der Problemfall Bulgarien nicht lösen lassen, im Gegenteil: Jüngste Umfragen sehen die GERB bei 24 Prozent und damit erneut auf dem ersten Platz. Fortsetzung folgt.
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