Korrespondenten über ein Jahr Schwarz-Gelb: Ziviler Widerstand dank der Tigerente

Kein Wunder, dass der Frust wächst: Manchmal wünscht man sich sogar als Österreicherin die große Koalition zurück. Die Bilanz einer Korrespondentin des "Standard".

Ein Fähnchen, das ohne Schwarz-Gelb nie geweht hätte. Bild: dpa

Ja, man muss es unumwunden zugeben: Aus journalistischer Sicht war die Bundestagswahl 2009 ein echter Glücksfall. Nicht, dass man sich die schwarz-gelbe Regierung privat gewünscht hätte. Aber als Korrespondentin aus Österreich, wo es seit 1945 insgesamt 45 Jahre lang eine große Koalition gab, hatte man von diesem schwarz-roten zwangsverehelichten, mühsam den Konsens suchenden Gemeinschaft in Deutschland echt genug.

Zwar brüllte am 27. September 2009 niemand im schwarz-gelben Chor siegestrunken "Jetzt gehts lo-os!", aber dennoch lag Aufbruchstimmung in der Luft. Endlich sollte es in eine Richtung gehen. Nicht mehr mühsam gestrickter Minimalkonsens einer großen Koalition, sondern die großen Würfe des wiedervereinten bürgerlichen Lagers harrten der Umsetzung. So zumindest wurde es dem Volk vermittelt - zumal auch die agierenden Granden sich von ihrer besten Seite zeigten. Horst und Guido kamen sich bei den Koalitionsverhandlungen so nahe, dass sie sich seither duzen.

Und dann kam alles anders. Oder, um es mit Joachim Gauck zu formulieren: "Sie träumten vom Paradies und erwachten mit der Hotelsteuer."

lebt seit 1999 in Berlin. Seit 2005 berichtet sie für den Standard, Österreichs auflagenstärkste Qualitätszeitung.

Doch diese unverhohlene Bevorzugung der eigenen Klientel war nur der Vorgeschmack. Streit über Steuern, Streit über Gesundheit, Streit über Familien. Die vor der Wahl von manchen herbeigeschriebene schwarz-gelbe Tigerente erwies sich bald als äußerst flügellahm. Schön ist das nicht für Deutschland, auch nicht für ausländische Korrespondenten.

Denn wenn es nicht einmal die Partner schaffen, die sich tagein, tagaus als Wunschpartner anschmachteten, wer dann? Jahrelang trug die Union die Aussage: "Mit der FDP könnten wir viel besser regieren" wie eine Monstranz vor sich her. Und dann kam die Realität in Form von Enttäuschung. Was sollte da noch schiefgehen?

Kein Wunder, dass die Frustration im Volk immer größer wird. Immerhin bildet sich jetzt ziviler Widerstand ("Stuttgart 21", Atomkraft) heraus. Grotesk, aber das ist die große Leistung der schwarz-gelben Koalition. Denn sie selbst hat ja kein Projekt von gesellschaftlicher Relevanz. Rot-Grün kämpfte für die Homoehe und für den Atomausstieg. Angela Merkel und Guido Westerwelle streiten über Steuersenkungen, an die ohnehin keiner glaubt. Manchmal wünscht man sich sogar als Österreicherin wieder die große Koalition herbei.

Am Montag erscheinen in der Print-Ausgabe der taz elf Texte von Deutschland-Korrespondenten renommierter Auslandsmedien, die eine Zwischenbilanz über ein Jahr schwarz-gelbe Koalition ziehen.

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