Koreanische Propaganda: Riesenpräser für Kim
Park Sang Hak stammt aus Nordkorea. Heute ist er dort Staatsfeind Nummer eins. Seine Ballon-Propaganda kommt auch in Südkorea nicht gut an.
PAJU taz | Park Sang Hak steht auf der südlichen Seite der innerkoreanischen Grenze auf der offenen Ladefläche eines Lieferwagens, hinter sich die menschenleeren Felder Nordkoreas. Zu seinen Füßen: Dutzende Journalisten, Hunderte Demonstranten, über tausend Polizisten. Der 43-Jährige greift zum Megafon und schreit gegen die Menschen an: „Niemand kann uns aufhalten! Wir sind bereit zu sterben, wenn ihr euch uns in den Weg stellt!“
Park ist Nordkoreas Staatsfeind Nummer eins. Niemand bedroht den brüchigen Frieden auf der koreanischen Halbinsel so wie er: keine 1,60 Meter groß, spitzbübisches Grinsen und die nervöse Energie eines Zappelphilipps. Seit zehn Jahren versucht er mit seiner Aktivistengruppe, das Kim-Regime im Norden zu Fall zu bringen.
Seine Waffen: zigarrenförmige Ballons, 12 Meter lang, gefüllt mit Wasserstoffgas. Die Munition: beidseitig bedruckte Flyer auf wasserfestem, federleichtem PVC. Sie zeigen einen brennender Kim Jong Un neben Gaddafi, Saddam Hussein, Ceausescu.
Im Land der allgegenwärtigen Smartphones und Breitbandleitungen mag solch analoger Aktivismus naiv wirken. Doch Park ist überzeugt, dass seine Flugblätter Leben retten. Vor 20 Jahren hob er selbst eines vom Boden auf. Damals als Student der Elektrotechnik in Pjöngjang erfuhr er so erstmals von Internierungslagern und dass Landsleuten die Flucht gelang – nach Südkorea, einem Land voll Wohlstand, Freiheit, Gerechtigkeit.
Job beim Propagandaministerium
Sollte er auch fliehen? Er hätte keinen Grund dazu gehabt. Sein Vater arbeitete als Spion, fuhr einen Mercedes und lebte in einer geräumigen Wohnung. Park selbst bekam einen Job beim Propagandaministerium, feilte an Schulbüchern und patriotischen Liedern. Er liebte seine Arbeit und glaubte an das System.
Zwanzig Jahre später ist er derjenige, der die Grenzen von Südkoreas Demokratie austestet: Wie weit steht das Land für Meinungsfreiheit ein? Die konservative Regierung würde ihn am liebsten mundtot machen, ebenso 60 Prozent der Bevölkerung. Pjöngjang werde einen erneuten Ballonflug als Kriegserklärung werten, schreibt die staatliche Nachrichtenagentur. Beim letzten Ballonflug am 10. Oktober war es schon zu Schusswechseln gekommen. Für Park zeigt all das, dass er auf dem richtigen Weg ist.
Wie soll man mit Nordkorea umgehen? Die Liberalen hoffen auf eine Reformierung des Staates durch wirtschaftliche Kooperation. Park meint: Das Problem lässt sich nur lösen, wenn das Kim-Regime beseitigt ist. Er möchte die Bevölkerung befreien. Dabei wäre er niemals auf die Idee gekommen, seine Privilegien in Pjöngjang aufzugeben. Erst als sein Vater ein Mordkomplott fürchtete, flüchtete die Familie. Vor drei Jahren entkam er selbst nur knapp einem Attentat. Trotzdem werde er weiterkämpfen, sagt Park.
Park trickst alle aus
An diesem Nachmittag scheint sein Kampf ausweglos: Bauern aus der Gegend haben die Straße mit Traktoren versperrt, Anwohner machen Sitzblockaden. Maskierte zerstechen die Ballons und verbrennen die Flyer. Park Sang Hak und seine 40-köpfige Truppe ziehen sich in ihren Bus zurück. Dieser wendet, fährt Richtung Seoul.
„Es scheint, als haben die Gegendemonstranten ihr Ziel erreicht: Kein einziger Ballon ist heute aufgestiegen“, sagt ein Reporter in die Kamera, während sich die Menschenmasse auflöst. Zwei Stunden später kursieren die ersten Bilder im Netz: Park Sang Hak schaut siegessicher in die Kamera, hinter ihm steigt ein Ballon in die Nacht. Zwanzigtausend Flyer werden bald Pjöngjang erreichen. Park hat alle ausgetrickst. Am Montag sagt Nordkorea die für Donnerstag geplanten Friedensgespräche ab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett